stadtgespräch: Feindbild gelber Bus
Ein neues Bussystem bringt Birmas Hauptstadt dazu, sich permanent aufzuregen
Verena Hölzl aus Rangun
Vor zehn Jahren noch hätte man in Birma (Myanmar) als „Einheit des Todes“ nur ein Militärbataillon bezeichnet. Im Jahr 2017 wird die zweifelhafte Ehre stattdessen der neuen Ranguner Busflotte zuteil. Seit Januar schieben sich die BVG-gelben Gefährte durch den Verkehrsdschungel von Birmas verstopftem Zentrum.
Vom ersten Tag an war das Geschrei groß. Die Busse seien nicht pünktlich, die Linienführung falsch, die Haltestelle plötzlich weiter von zu Hause entfernt, die Ticketverkäufer jetzt ja arbeitslos. Jeder noch so kleine Verkehrsunfall bekam plötzlich viel Aufmerksamkeit, Busgeschichten gehen viral auf Facebook.
Das bekam gerade eine Frau zu spüren, die einen üblen Shitstorm kassierte, nur weil sie an Bord eine stinkende Durian, den Blauschimmelkäse unter den südostasiatischen Früchten, verzehrte. Es scheint, als würden die Ranguner auf Fehltritte geradezu lauern, um sich aufregen zu können.
Nicht nur die busfahrende Bevölkerung experimentiert mit ihren neuen Rechten und Freiheiten im demokratischen Zeitalter. Vergangene Woche hat Yangon Region Chief Minister Phyo Min Thein, der Vater der Busreform, die Nachrichtenagentur Reuters vor den Presserat gezerrt. Die hatte berichtet, die neuen Busse seien ohne Ausschreibung aus China angekauft worden. Offenbar gefällt ihm der Artikel nicht. Welche Fakten allerdings falsch sein sollen, darüber schweigt er weiter.
Es ist wie immer: Bei Reformen können nicht alle zu den Gewinnern zählen. So wurden mit dem neuen Bussystem etwa die Schaffner an Bord abgeschafft. Tickets werden jetzt von Maschinen verkauft. Die Nerven der Verlierer liegen blank. Kürzlich platzte einer der verbliebenen Passagierhelferinnen der Kragen. Von der offenen Tür aus lüpfte sie ihren Longyi und streckte einem unkooperativen Autofahrer ihren Schlüpfer entgegen.
Ein Unterhosen-Gate gab es auch 2007. Was lustig klingt, war damals eine ernste Angelegenheit. Aus Protest gegen die Militärjunta luden auf der ganzen Welt Frauen ihre Unterwäsche vor Birmas Botschaften ab. Die abergläubischen Generäle glaubten, der Kontakt mit weiblicher Wäsche mache ihre Stärke zunichte.
Zehn Jahre später sind die Birmesen mit Empörung über die politische Elite auffällig zurückhaltend. Das Bussystem schien die Menschen in den vergangenen Monaten mehr zu echauffieren als Vorwürfe eines Genozids an den muslimischen Rohingya, eingesperrte Journalisten oder Bomben, die in Flüchtlingslager einschlagen.
Wieso? „Weil Myanmar eben anders ist“, geben mir einheimische Freunde regelmäßig zu verstehen und seufzen darüber, wie kategorisch ich bin, wenn es um Menschenrechte geht, während sie die Versöhnung mit dem Militär hochhalten wie ein rohes Ei. Da liegen auch bei mir immer öfter die Nerven blank. Ich wünsche mir dann eine riesige Vuvuzela an mein Mountainbike. Damit würde ich den Fahrern dieser nervigen Busse dann mal so richtig was ins Ohr tröten.
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