stadtgespräch: Fehde im Familienclan
Der alte Jean-Marie Le Pen kämpft weiter mit seiner Tochter um die Macht bei Frankreichs Rechtsextremen
Rudolf Balmer aus Paris
Es wird langsam kompliziert mit Jean-Marie Le Pen.“ Das sagte am Donnerstag im französischen Fernsehen BFM-TV die junge FN-Abgeordnete Marion Maréchal-Le Pen über ihren Großvater Jean-Marie Le Pen. Er war ihr Vorbild und ihr politischer Mentor gewesen. Bis vor Kurzem.
Sie hatte noch gezögert, auf Distanz zu ihm zu gehen, nachdem ihre Tante, die Parteichefin Marine Le Pen, längst ihren Vater in der Partei politisch kalt stellen wollte. Doch selbst der politischen Aufsteigerin der dritten Generation im Le-Pen-Clan ist der 87-jährige Gründer des rechtsextremen Front National inzwischen peinlich wegen seiner ständigen Provokationen. Weil er sich nun auch noch in ihre Kampagne als Spitzenkandidatin des FN in der Region Provence-Côtes d’Azur einmischt, möchte auch sie den Patriarchen lieber zum Schweigen bringen und definitiv aufs Altenteil versetzen.
Nur lässt dieser sich in der Partei, die er als sein Familieneigentum betrachtet, nicht so schnell ins Abseits stellen. Gleich zwei Mal nacheinander zog er gegen seine Tochter und die Parteiführung vor Gericht – und gewann: Alle bisherigen Beschlüsse gegen ihn wurden für ungültig erklärt. Le Pen triumphiert und schöpft neue Hoffnung: Vielleicht hat er die interne Schlacht um den FN doch noch nicht verloren. Die Justiz hat nämlich angeordnet, dass er den Statuten zufolge das Recht haben müsse, sich persönlich vor der Partei zu rechtfertigen und zu verteidigen. Viele Mitglieder, vor allem die älteren, sind angeblich verunsichert wegen der öffentlich ausgetragenen internen Rivalitäten.
Er war zuerst im April als Mitglied wegen seiner wiederholten Provokationen „suspendiert“ worden. Seine selbst für den FN unhaltbaren „Witze“, die wiederholte Verharmlosung der Judenverfolgung als „Detail der Geschichte des Zweiten Weltkriegs“ sowie seine unverhohlene Sympathie für die Nazi-Kollaborateure während des Weltkriegs haben ihn vollends isoliert. Die Führung des FN, die mit einer etwas weniger aggressiven Propaganda neue Wählerschichten anziehen möchte, wollte ihm darum auch so schnell wie möglich seine Ehrenpräsidentschaft aberkennen, um öffentlich Distanz zu markieren. Doch das dafür gewählte Eilverfahren ist laut Gerichtsentscheid vom Mittwoch ebenso wenig mit den FN-Statuten konform wie sein Parteiausschluss, der eine Woche zuvor annulliert worden war.
Was Marine Le Pen nun wirklich nicht mehr lustig findet, amüsiert nur umso mehr die Medien und erst recht die politischen Gegner. Schon meldet sich auch noch Le Pens Exgattin Pierrette zu Wort. Man erinnert sich in Frankreich an sie, weil sie sich bei der Trennung aus Rache für seine Macho-Sprüche für das Playboy-Magazin nackt fotografieren ließ. Jetzt sagt sie in einem Fernsehinterview, ihr Exmann habe eine unerträgliche Neigung zur Gewalt und tyrannisiere seine Umgebung: „Du musst vor ihm knien, sonst musst du fliehen.“
Das französische Fernsehpublikum erinnert die Fortsetzungsgeschichte dieses Familienstreits immer mehr an eine Vorabendserie. Und da weder die Tochter noch der Vater – und etwas im Hintergrund selbst dessen Enkelin Marion – in diesem schonungslosen Kampf um die Macht in der rechten Szene nachgeben wollen, ist mit vielen weiteren Episoden zu rechnen.
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