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sozialkürzungenEin später erster Schritt

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner hat gerade noch einmal die Kurve gekriegt. Bei Amtsantritt hatte die PDS-Politikerin vollmundig verkündet, zwar müsse auch unter ihrer Führung gespart werden – aber sie wolle gemeinsam mit den Betroffenen nach sinnvollen Wegen dafür suchen. Als dann kurzfristige Einsparungen von 73 Millionen Euro unter anderem in der Behindertenhilfe auf der Tagesordnung standen, war davon nichts mehr zu spüren. Die Summe stand fest, der Weg stand in den Sternen. „Da wurde der zweite Schritt vor dem ersten gemacht“, kommentierte selbst Knake-Werners Parteifreundin, die PDS-Sozialexpertin Steffi Schulze.

Kommentar von SABINE AM ORDE

Den notwendigen ersten Schritt will Knake-Werner jetzt nachholen. Die Einsparungen werden bis zum Sommer ausgesetzt, bis dahin sollen ein Stadtstaatenvergleich sowie Konzepte zur Umstrukturierung der Hilfelandschaft erarbeitet werden; daraus soll ein neuer Vertrag mit den Wohlfahrtsverbänden formuliert werden. Das ist endlich ein sinnvolles Vorgehen.

Denn erst durch den Aufschub der Kürzungen werden Verhandlungen mit den Verbänden wieder möglich. Ein Stadtstaatenvergleich, der detailliert und den unterschiedlichen Hilfestrukturen in Berlin, Hamburg und Bremen angemessen die Vorteile der einen oder anderen Stadt aufzeigt, macht Sinn. Solide Verhandlungsgrundlagen, auf die sich beide Vertragspartner einigen können, fehlen bislang.

Auch die Debatte über die Struktur der Hilfeleistungen ist überfällig. Werden alle Angebote wirklich gebraucht, sind andere vonnöten? Ist die Vielzahl der Träger notwendig? Können Leistungen effizienter angeboten werden, ohne dass es auf Kosten der Betroffenen geht? All diese Fragen müssen gestellt und seriös beantwortet werden. Evaluationen sind überfällig.

Fraglich aber ist, ob dabei 73 Millionen Euro zusammenkommen, die ohne Qualitätseinbußen eingespart werden können. Ist das nicht der Fall, muss die Summe reduziert werden. Sonst wird auch Knake-Werners später erster Schritt zur Farce.

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