seitenblicke auf den us-wahlkampf: Schwarz und Weiß ...
... oder die Sorge vor einer dauerhaften politischen Abstinenz
Ein halbes Jahrhundert ist es her, dass der schwarze Bürgerrechtler Malcolm X warnte: Wenn "wir" anfangen, nach ihren Regeln zu gewinnen, dann werden "sie" die Regeln ändern. Daran erinnerte jetzt Michael C. Dawson, Professor für Politologie an der Universität von Chicago. Und er schrieb: "Die verzweifelten und ekelhaften Tricks der McCain/Palin-Kampagne haben deutlich gezeigt, wie weit die Reaktionäre bereit sind zu gehen, um an der Macht zu bleiben." Selbst wenn Obama gewinnen sollte, was er erwarte, bestünde die Gefahr, dass dadurch langfristiger Schaden an der politischen Ordnung angerichtet worden sei. Dawson wirft den Republikanern "rassistischen Hass" vor, und er nennt Beispiele. Eines davon: Im Internet kursierten T-Shirts mit der Aufschrift "Niggers, bitte. Es heißt WEISSES Haus".
Ernster ist der Vorwurf, dass schwarze Studenten von republikanischen Verwaltungsangestellten systematisch dabei behindert worden seien, ihr Wahlrecht auszuüben. Auch die Fülle von Pannen in Wahllokalen, die bereits in den letzten Tagen auftraten, ist nicht dazu angetan, Misstrauen abzubauen.
Man braucht keine Kristallkugel, um vorherzusagen, dass solche Vorfälle sich am eigentlichen Wahltag häufen werden. Kein demokratischer Präsident der letzten Jahrzehnte wäre an die Macht gekommen ohne die Stimmen des schwarzen Teils der Bevölkerung. Oft wurden die Demokraten seufzend als das kleinere Übel gewählt. Was wäre die Folge, wenn der nächste Präsident doch John McCain hieße und die schwarzen US-Amerikaner mehrheitlich das Gefühl hätten, um den Sieg "ihres" Kandidaten betrogen worden zu sein? Nein, es geht hier nicht darum, wieder einmal das Gespenst von Tumulten in schwarzen Wohnvierteln zu beschwören, sondern um die Sorge, dass eine Niederlage von Barack Obama eine so tiefe Enttäuschung wäre, dass sie in dauerhafte politische Abstinenz mündete. Das wäre dann ein Sieg der Republikaner, der weit länger wirken würde als eine Legislaturperiode.
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