schröder stützt klimmt: Eine Entscheidung wider Willen
Gerhard Schröder hat immer wieder Gespür bewiesen, wann ein Machtwort zu sprechen ist. Diesmal zögerte er lange, sich zum Fall Klimmt zu äußern. Erst gestern stellte sich der Kanzler im Kabinett ausdrücklich hinter seinen angeschlagenen Verkehrsminister, der einst als Präsident des 1. FC Saarbrücken einen Scheinvertrag mit dem Caritas-Verband gebilligt haben soll, um seinen Fußballclub mit 615.000 Mark zu retten.
Kommentarvon SEVERIN WEILAND
Schröders Machtwort überrascht. Denn wenn Klimmt im Kabinett bleibt, sind die Schwierigkeiten abzusehen und von den SPD-Mitgliedern im Spenden-Untersuchungsausschuss auch schon benannt: Wo, bitte, ist der Unterschied zum Umgang der CDU mit ihrer dubiosen Spendenpraxis? Aussitzen in beiden Fällen. Die Union hat ihre Chance auch schon erkannt: Sie hofft, ihre Spendenaffäre unter dem Fall Klimmt zu begraben. Zumindest zeitweise.
Klimmt muss zurücktreten. Zwar gilt für ihn die Unschuldsvermutung wie für alle Bürger, bis ein Gericht zu einem anderen Urteil kommt. Aber es ist nicht ungeschehen zu machen, dass Klimmt den Strafbefehl zunächst angenommen hat. Dies war von Klimmt nicht als Schuldbekenntnis gemeint, sondern eine politische Entscheidung. Doch hilft das nichts. Zur Politik gehört auch die Vorbildfunktion – und die Handlungsfähigkeit. Beides haben Klimmt und die SPD verloren, solange der Verkehrsminister im Amt bleibt.
Die Fraktion jedenfalls ist stark angeschlagen. Zunächst wurde die politische Bedeutung der Vorwürfe nicht erkannt. Dann wurde Fraktionschef Struck nicht gestützt, der Klimmt halten wollte und riet, den Strafbefehl anzunehmen.
In diesem Machtvakuum lief alles auf Schröder zu. Und der stützt Klimmt. Warum? Zum ersten Mal steht der Kanzler vor einer Personalentscheidung gegen seinen eigenen Willen. Männer wie Lafontaine nahmen ihm die Entscheidung mit ihrem Rücktritt ab, und Müntefering war dankbar, als er vom ungeliebten Verkehrsministerium auf den Posten des SPD-Generalsekretärs wechseln konnte. Schröder ist viel zu sehr Machtmensch, als dass man ihm zutrauen würde, einen Konflikt auszusitzen, der auf seiner Partei in Bund und Land und auf der Regierung lastet. Insofern ist sein Machtwort im Kabinett wohl nur ein Hinweis, dass man sich Zeit erbittet. Um einen Nachfolger für Klimmt zu suchen und ihm selbst noch einmal Zeit zu geben, seinen angekündigten Verbleib im Kabinett zu überdenken.
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