schnittplatz : Fröhlicher Mob
Einen stets reizend beschwipsten, einen immer wieder entzückend nasengepuderten Eindruck macht die Außenreporterin Sophie Rosentreter, wenn sie für „Big Brother“ Milieustudien bei den Familien der Insassen betreibt. Sei’s Zlatkos makedonische Familie in Augsburg, sei’s Jürgens Clique aus der Kölner Kneipenszene – sie begegnet Menschen auch dann auf Augenhöhe, wenn sie kriechen.
Vergangenen Sonntag aber, als sie Zlatko ins „Big Brother“-Studio zu chauffieren hatte, da bekam sie es doch ein wenig mit der Angst zu tun: Hinter ihr die Massen von etwa 5.000 Fans, neben ihr die bullige Gestalt eines Leibwächters.
„Das ist größer als jede Millennium-Feier“, sagte ihr Kollege Percy Hoven im Studio. Und weil er es selbst glaubte, sagte er es gleich noch mal: „Das ist größer als jede Millennium-Feier.“ Tatsache ist, dass RTL 2 noch nie so viel Zuspruch zu bewältigen hatte. Nicht im Form abstrakter Quoten, sondern physisch: Eine alkoholisierte Fangemeinde von bedrohlichen Ausmaßen musste vor dem Container in Schach gehalten werden. So groß war der Andrang, dass Zlatko lange, allzu lange von den Massen aufgehalten wurde. Und RTL 2 unversehens vor der „Wetten, dass . . .?“-Frage stand: Überziehen oder nicht?
Und so ließ RTL 2 seine Zuschauer mit unkommentierten Bildern des fröhlichen Mobs allein, während im Studio offenbar fieberhaft nach einer Lösung des Problems telefoniert wurde. Schließlich entschied man sich gegen Werbeeinnahmen – und für die Quote. Erst um 22.24 Uhr, als „Big Brother – Der Talk“ schon neun Minuten überzogen hatte, sorgte eine Einblendung für Klarheit: „Die Sendung ‚peep!‘ beginnt um ca. 22.36“.
Wächst RTL 2 an seinem Erfolg, werden die Macher gar professioneller? Als der Verlierer Zlatko hernach im Licht der Studiokameras schwitzte, kam jedenfalls niemand auf die Idee, dem armen Mann ein Handtuch zu reichen: Keine Frage, der Sender pubertiert weiter. Und trägt seit Sonntag stolz die ersten Pickel. fra
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen