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schnittplatzHerrlicher Ernst

Dass faule Eier fliegen, wo Pack mit Pack sich schlägt, ist bekannt. Neu dagegen ist, dass mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) ein unbeteiligter Passant zwischen die Fronten geraten ist, der sich gemeinhin selten auf den Boulevard gekränkter Eitelkeiten verirrt.

Zur Chronologie: Ein Prinz (Ernst August) pinkelt gegen einen Pavillon (Türkei), eine Zeitung (Bild) veröffentlicht die Fotos. Der Prinz wehrt sich vergangenen Mittwoch mit einer ganzseitigen Anzeige in der FAZ. Wohl habe er unter sich gelassen, mitnichten aber „auf türkischem Boden“.

Donnertags hat’s der degoutante Zwischenfall schon zum FAZ-Leitartikel gebracht, mit gewichtiger Frakturschrift und allem Drum und Dran: Darin nimmt die FAZ den Prinzen sanft in Schutz gegen die geifernde Boulevardpresse und fürchtet Zustände wie „in Großbritannien, wo seit Jahren die Monarchie an der Sensationshascherei zu zerbrechen droht“.

Gleich einer alte Dame, die energisch den lästigen Fleck auf ihrem teueren Kostüm auszuwaschen sucht, rubbelt die FAZ so lange an dem Thema herum, bis sie es ihren LeserInnen als kulturpessimistisches Klagelied verkaufen konnte: „Die Ikonographie des Boulevards braucht solche Perspektivwechsel wie ein Shakespeare-Stück die Rüpelszenen, die erst den lebendigen Hintergrund für das große Tableau der Königsbilder schaffen“, heißt es da.

Dankbar für diese Nachhilfe schlägt man nun freitags seine FAZ auf – und stößt nun im Feuilleton auf eine weitere ganzseitige Anzeige. Diesmal von Bild-Chefredakteur Udo Röbel, gedacht und betitelt als „Gegendarstellung“ zu den fürstlichen Auslassungen vom Mittwoch. „Hierzu stelle ich fest“, schreibt Röbel, „den Befragten wurde von uns der zutreffende Sachverhalt geschildert, dass der Prinz von Hannover sich am türkischen Pavillon erleichtert hat.“ Perspektivwechsel: Die Rüpel zanken sich nun vor dem gediegenen Tableau der FAZ, um Geschichten aus der Gosse zum Königsbild zu adeln. So werden Seiten zum Gerichtssaal: Barbara Salesch, übernehmen Sie! ARNO FRANK

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