schnittplatz: Von virtuellerGeborgenheit
Mal ganz rational betrachtet: Welchen Vorteil hat eigentlich Papier? Keinen. Papier ist schlicht out. Das elektronische Äquivalent zum Papier, die E-Mail, macht’s besser. Geht im Augenzwinkern um die Welt und stapelt sich nicht auf unserem Schreibtisch. Unmengen an Informationen werden in Datenform dezentral, dass heißt irgendwo, gespeichert.
William Gibson, des Erfinder des wunderbaren Wörtchens „Cyberspace“, nannte das Internet mal „eine kollektive Halluzination von Milliarden von Benutzern.“ Denn: Wie sehen Daten eigentlich aus? Keiner weiß es. Sie bleiben unsichtbar und erzeugen so eine Illusion der Sicherheit. Dabei reicht oft nur ein Knopfdruck, um all die kostbaren Informationen zu löschen oder zu verschieben.
Gmx.de hat in der vergangenen Woche mehrere Millionen E-Mails gekillt, vor einigen Monaten klaute der Love-You-Virus eines philippinischen Hackers Unmengen von Daten weltweit, und einem englischen Energiekonzern sind vorgestern persönliche Daten und Kredtikartennummern von 7.000 Kunden in den falschen, weil öffentlich zugänglichen Datenordner gerutscht.
Wer persönliche Daten im Internet speichert, gibt seine Hoheit darüber auf und hofft einfach mal, dass alles gut geht.
Ein Mittel gegen diese Unsicherheit, die Vergänglichkeit des Virtuellen, hat übrigens Cyberprophet Gibson parat: die Fusion von Elektronik und unmittelbarer örtlicher Präsenz. In seiner Kurzgeschichte „Der mnemonische Johnny“ implantiert er seinem Protagonisten eine Festplatte in den Kopf. Das Ganze geht zwar auf Kosten von dessen Langzeitgedächtnis, aber wer muss heute schon noch wissen, was gestern war, wo sich die Welt doch jeden Tag neu erfindet. Im Rest der Geschichte versucht Johnny dann verzweifelt, die riesigen Datenmengen wieder aus seinem Schädel zu verbannen. Denn eines wird sich auch in Zukunft nicht ändern: Bei Überlastung des Denkapparats droht die Explosion. TOBIAS MOORSTEDT
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