schnittplatz: Mythos Feuilleton
Der Neue ist also ein Alter und stimmt die versöhnliche Melodie an: Der Richtige für den Job des geschassten Müller-Vogg sei er, profilneurotisch sei er nicht, dafür aber immer für eine heitere gelöste Atmosphäre zu haben, präsentierte sich FAZ-Neuherausgeber und Alt-Nachrichtenchef Dieter Eckhart in ersten Interviews. Die Nachrichtenredaktion leitet er seit 1973, und weil er schon 63 ist, wird für ihn extra die FAZ-Altersgrenze aufgestockt, so kann Eckart maximal vier Jahre bleiben.
Am interessantesten werden diese vier Jahre wahrscheinlich für seinen Herausgeberkollegen Frank Schirrmacher: Von künftig zu intensivierender Kooperation zwischen den Ressorts ist die Rede. Und was der Nachrichtenmann Eckart von weit gefassten feuilletonistischen Konzepten hält, machte er schon im vergangenen Jahr in der Zeitschrift Message deutlich: Denn die „Kollegen im Feuilleton“, schreibt Eckart da, „interessieren sich fast immer für fast alles, zweitens wissen sie viel über vieles, drittens und vor allem gibt es fast nichts auf dieser bunten (...) Welt, das nicht mehr oder weniger klar erkennbar irgendeine Wurzel in Kultur und Zivilisation“ hätte. Und so – in der FAZ kann man’s täglich besichtigen – ist „kein Thema vor einem Feuilletonisten sicher, der Feuilletonist allerdings auch nicht vor der Gefahr, sich ganz auf das fremde Terrain zu begeben und sich dort im schlimmeren, aber nicht unwahrscheinlichen Fall zu verlaufen. Das wäre weder für ihn erfreulich noch seinem Ressort förderlich, noch der ganzen Zeitung nützlich.“ Eckart plädiert für eine „gewisse feuilletonistische Zurückhaltung“ , sonst fehlt am Ende nicht nur dem „konservativen Leser in dem Feuilleton seiner Zeitung“ der Lesestoff: „Theater-, Konzert- und Opernkritiken, Berichte aus Bayreuth und Salzburg“, u.v.m. Und dass die Leser am Ende murren, ja das kann natürlich auch „der einfallsreichste und abenteuerlustigste Feuilletonredakteur nicht wollen“.
Der nun wieder flirtet der Branche und der Woche zufolge heftig mit dem Spiegel, was bei der gegenwärtigen Hamburger Gemengelage kaum von Erfolg gekrönt sein dürfte. Vielleicht möchte Schirrmacher in Wirklichkeit ja auch zu Focus. Der Burda-Verlag jedenfalls kommt im FAZ-Feuilleton derzeit erstaunlich gut weg. STG
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