schnittplatz: Russen? Hass!
Kaum jemand geißelt den Russenhass. Dabei ist er viel älter und zäher und blöder noch als der Hass auf die USA! Schon Karl Marx war ein begnadeter Russenhasser, der dann in der 1. Internationale ausgerechnet die Leitung der russischen Sektion an sich riss.
Tatsächlich plünderten die Deutschen im russischen Bürgerkrieg brutal die Ukraine aus. Michail Bulgakow hat darüber in seinem Kiew-Roman „Die Weiße Garde“ Böses geschrieben. Noch schweinöser verhielten sich die Deutschen dann im Zweiten Weltkrieg, wo die Russen als Untermenschen noch weit unter dem dortigen Nutzvieh rangierten. Deswegen ist die heutige „Beutekunst-Debatte“, bei der es um einige tausend von den Russen requirierte Kunstwerke geht, nichts anderes als die Fortsetzung des alten deutschen Russenhasses, der wieder frech und feist aufgelebt ist, seitdem eine Bedrohung durch die Sowjetunion nicht mehr real existiert. Dazu gehören Äußerungen – wie etwa die des renommierten Historikers Arnulf Baring, der sogar wieder von einer neuen „Ostkolonisation“ spricht, „obwohl man das öffentlich fast nicht sagen kann – aber die osteuropäischen Staaten erwarten das von Deutschland!“. Oder die Anfeuerungen des Wirtschaftsredakteurs der gottlob inzwischen eingegangenen Woche an die Adresse aller deutschen Unternehmer, Unterwanderer und Unterhalter: „Auf also nach Sibirien!“ Neuerdings gibt es auch eine intellektuelle „Go East“-Initiative, die von den Marktwirtschafts-Slawisten an der Frankfurt-(Oder)-Uni „Viadrina“ forciert wird. In Summa kann man sagen: Je tiefer der Rubel fällt, desto höher steigt die deutsche „Russenbegeisterung“.
Die Russophilie ist eine Begeisterung vor allem für Bodenschätze: Es ist somit keine autoritäre Schwäche für Siegermächte (wie es eher der Amerikanismus ist), sondern im Gegenteil: Ausdruck eines schlechten – wölfischen – Charakters, zumal er sich jedesmal als „Russlandhilfe“ ausgibt. Und das Gros der deutschen Korrespondenten – von FAZ bis taz – beweist das fast täglich in seinen Artikeln, die zwar immer kenntnisreicher werden, an der grundsätzlichen Haltung ihrer Autoren, die von Verachtung und Überheblichkeit geprägt ist, jedoch nichts ändern.
HELMUT HÖGE
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