Was Geld vernichtet: Oligarchie bewirkt Zoonosen
US-Präsident Trump will Grönland – wegen der Bodenschätze. Doch die Arktis erwärmt sich schneller als gedacht – das setzt gefährliche Mikroben frei.
P olitische Kommentatoren haben dieser Tage die Qual der Wahl. Das Menü der Woche: am Montag Grönland, am Dienstag Meta, am Mittwoch Oligarchie. Am Donnerstag Rassismus, am Freitag Schweinekotelett. Über die Oligarchisierung des Kapitalismus ist einiges geschrieben worden, ohne dass ausreichend betont worden wäre, wie sehr plutokratische Strukturen vom Ausschalten demokratischer Kontrolle profitieren. Deshalb der Kotau von Meta-Chef Mark Zuckerberg vor US-Präsident Donald Trump.
Was erhofft er sich als Gegenleistung für seine Unterwerfung? Vieles: 2019 behauptete Zuckerberg, das Kartellrecht bedrohe sein Unternehmen „existenziell“. Im Podcast von Joe Rogan erklärte Zuckerberg außerdem, die Regierung müsse Meta vor ausländischen Regierungen schützen, die das Internet zu regulieren trachteten. Etwa die Europäische Union, deren Kommission mehrere Verfahren gegen Meta führt, unter anderem wegen möglicher Verstöße beim Schutz Minderjähriger, der Verbreitung von Desinformation und irreführender Werbung und mangelhafter Mechanismen zur Kennzeichnung illegaler Inhalte.
Zudem hat Meta sein KI-Modell mit illegal heruntergeladenen, urheberrechtlich geschützten Werken trainiert und will nun die Legalisierung dieser Urheberrechtsverletzungen durchsetzen. Zu guter Letzt hätte der US-Kongress beinahe den „Kids Online Safety Act“ verabschiedet, was die Lobbyarbeit von Meta verhindern konnte.
Alle Versuche, die destruktiven Auswirkungen der sozialen Medien zu mindern, sollen im Keim erstickt werden. Es kann nicht oft genug wiederholt werden: Wer über viel Macht verfügt, hat nur ein existenzielles Anliegen: den Einfluss anderer Herrschaftszentren zu minimieren, an erster Stelle das Rechtssystem und die Einflüsse einer um Pluralismus bemühten Zivilgesellschaft. Wir befinden uns in einem klassischen Dilemma. Die Probleme werden durch die sozialen Medien potenziert, eine manipulierte Öffentlichkeit erschwert eine demokratische Lösung, was die Probleme wiederum verschärft.
Kinofilm über Melania Trump
Derweil pfeift auch Amazon-Gründer Jeff Bezos auf Anstand und Würde. Unmittelbar nach einem Abendessen mit Trump sicherte sich Amazon die Lizenzrechte an einem Dokumentarfilmprojekt über Melania Trump, für erstaunliche 40 Millionen Dollar. Hochwertige Dokumentationen werden in der Regel für 2 Millionen Dollar produziert. Das Projekt, bei dem Melania Trump als „executive producer“ auftritt, besteht aus einem Kinofilm und einer Serie (zwei bis drei Folgen für Prime Video) über das außergewöhnlich interessante Leben eines Ex-Models samt „beispiellosem Blick hinter die Kulissen“.
Kaum haben wir den Kopf geschüttelt, krakeelt der Milliardär Elon Musk auf X: „This is crazy.“ Womit er grundsätzlich recht hat, im konkreten Fall jedoch danebenliegt. Ein Schöffengericht in Wien hat kürzlich einen Jugendlichen vom Vorwurf der Vergewaltigung einer Minderjährigen freigesprochen. Die strittige Tat geschah in einem Parkhaus. Der Oralverkehr sei laut Angeklagtem einvernehmlich gewesen, laut dem jungen Mädchen unter Zwang. Ein schwieriger Justizfall mit unklarer Beweislage.
Man muss sich schon wundern, dass Musk Zeit hat, sich mit österreichischen Lokalnachrichten zu beschäftigen – bis man erfährt, dass der Angeklagte ein syrischer Flüchtling ist. Offenbar lässt Musk seine Handlanger mit Schleppnetzen das Internet nach faulen Fischen durchsuchen, nach Fällen, bei denen muslimische Männer „weiße Frauen“ missbrauchen. Deswegen hat er den über zehn Jahre alten „Grooming Gangs“-Skandal ans Tageslicht gezerrt, ein schockierender Fall des organisierten Missbrauchs von jungen Mädchen in britischen Städten, überwiegend begangen von Männern pakistanischer Herkunft.
2014 erschien ein Regierungsbericht über die Verbrechen, worauf eine Untersuchung eingeleitet wurde, die nach sieben Jahren zwanzig Empfehlungen aussprach, von denen die vorherige konservative Regierung keine einzige umsetzte. Wie sehr Musk solche Fälle durch eine rassistische Brille betrachtet, zeigt seine Aussage, die AfD könne keine faschistischen Züge aufweisen, weil die Lebenspartnerin von AfD-Chefin Alice Weidel aus Sri Lanka stamme. Wenn wir wiederum den Blick auf Musks Herkunft richten, springt ins Auge, dass er seine gesamte Kindheit und Jugend in einem System des institutionalisierten Rassismus verbrachte – der Apartheid.
Kaum beachteter Fachartikel
So etwas lässt sich nur schwer abschütteln. Neben all diesen Botschaften aus oligarchischen Raumschiffen brachte Trump Grönland ins geostrategische Spiel – angeblich wegen nationaler Sicherheitsinteressen, tatsächlich aber wegen der Bodenschätze, die bald schon profitabel ausgebeutet werden können. Die Arktis erwärmt sich momentan viermal schneller als der globale Durchschnitt, was nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch gesundheitliche Risiken birgt. Durch das Auftauen des Permafrosts werden Mikroben freigesetzt, die neue Krankheiten auslösen könnten.
Trotz der berechtigten Sorgen um Oligarchie und Remilitarisierung auf der ganzen Welt steht ein noch größeres Menetekel an der Wand: die Gefahr eines weiteren ökologischen Desasters. Wie ein kaum beachteter Fachartikel ausführt, werden bei der Schmelze tausende uralte Mikroorganismen freigesetzt, deren Auswirkungen auf Menschen und Tiere unerforscht sind. Die größte Gefahr gehe demnach nicht von bekannten Viren wie Pocken oder Anthrax aus, sondern von der Vielfalt und Komplexität der Mikroben, die auf unbekannte Weise neue Zoonosen verursachen könnten.
Durch Schifffahrt (Schiffe transportieren jährlich Milliarden Tonnen Ballastwasser), Tiermigration und menschliche Mobilität verbreiten sich solche Mikroben global. Der Rohstoffabbau würde neue Schnittstellen zwischen isolierten Ökosystemen schaffen und die Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen. Ein deprimierendes Ende der Woche.
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