scherz, satire, ironie, grabbe und bernstein von WIGLAF DROSTE
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„Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ heißt ein Lustspiel, das Christian Dietrich Grabbe im Jahre 1822 schrieb. Unsere heutigen Dichterdarsteller à la Durs Grünbein wusste der Detmolder Grabbe schon damals trefflich zu beschreiben:

„Schulmeister zu Gottliebchen Nun komm, du Esel, und gib Acht ! Ich will dir sagen, wie du es (...) machen mußt, um dich genial zu stellen: du mußt entweder völlig das Maul halten, – dann denken sie, Donnerwetter, der muß viel zu verschweigen haben, denn er sagt kein Wort; – oder du mußt verrücktes Zeug sprechen, – dann denken sie, Donnerwetter, der muß etwas Tiefsinniges gesagt haben, denn wir, die wir sonst alles verstehen, verstehen es nicht; – (...) So etwas bringt dich in den Ruf der Originalität, du Mißgeburt ! Er gibt ihm eine Ohrfeige

Gottliebchen Au ! au ! au !

Schulmeister Erschrick nicht, mein Söhnchen ! Utile cum dulci, ein Ohr, weil es nützlich ist, und eine Feige, weil sie süß ist, also eine Ohrfeige. Es gehört zu den Feinheiten meiner Erziehungsmethode, mußt du wissen, daß ich dem Schüler bei jeder interessanten Lehre eine markdurchdringende Maulschelle erteile, denn späterhin wird er alsdann immer, wenn er sich an die Maulschelle erinnert, sich auch an die Lehre erinnern, welche sie begleitete.

Rattengift [ein Dichter] sitzt an einem Tische und will dichten Ach, die Gedanken ! Reime sind da, aber die Gedanken, die Gedanken ! Da sitze ich, trinke Kaffee, kaue Federn, schreibe hin, streiche aus, und kann keinen Gedanken finden, keinen Gedanken ! – Ha, wie ergreife ichs nun ? – Halt, halt ! was geht mir da für eine Idee auf ? Herrlich ! göttlich ! eben über den Gedanken, daß ich keinen Gedanken finden kann, will ich ein Sonett machen, und wahrhaftig dieser Gedanke über die Gedankenlosigkeit, ist der genialste Gedanke, der mir nur einfallen konnte ! Ich mache gleichsam darüber, daß ich nicht zu dichten vermag, ein Gedicht ! Wie pikant ! wie originell ! Er läuft schnell vor den Spiegel Auf Ehre, ich sehe doch recht genial aus !“

Die Literaturbetriebsnudeln sind wie sie sind. Grabbe schonte sich selber nicht und ließ seinen Schulmeister über den Dichter Grabbe sagen: „Der vermaledeite Grabbe, oder wie man ihn eigentlich nennen sollte, die zwergigte Krabbe, der Verfasser dieses Stücks ! Er ist so dumm wie’n Kuhfuß, schimpft auf alle Schriftsteller und taugt selber nichts“ – wofür Grabbe den Schulmeister dann einen „unermeßlichen Lügenbeutel“ nennt.

Der kleine Göttinger Satzwerk Verlag hat Christian Dietrich Grabbes teuflisch schönes Stück soeben in einer Prachtausgabe neu herausgebracht, die von Großmeister F. W. Bernstein mit einer Umschlagzeichnung und 13 Illustrationen versehen und ebenso kunstreich benachwortet wurde: „Das ist der Geist der Groteske. Er herrscht anmutig schrill, dreist und gemein in Grabbes Szenen“, Da es von dieser ersten Ausgabe überhaupt nur 300 nummerierte Exemplare gibt, empfehle ich dringend: Auf, auf und rasch zu einem Buchhändler des Vertrauens geeilt, aber im Galopp …!