reisebuch: Unterwegs zu fast vergessenen Kulturschätzen
Geschichts- und Reiseführer zugleich: „Peru und Bolivien“ aus dem DuMont Verlag
Peru und Bolivien haben mehr zu bieten als Cusco, Machu Picchu und den Titicacasee. Und so lautet die Devise des Reisejournalisten Rolf Seeler, die touristischen Trampelpfade der Zentralanden zu verlassen und sich in unbekanntere Gefilde zu begeben. Weg von den hochfrequentierten Highlights, hin zu den vergessenen Kulturschätzen will der Autor die Reisenden in Sachen Kunst locken.
Im kulturgeschichtlichen Teil des Reiseführers erfährt man nahezu alles: von der Besiedlung des Kontinents, der Überquerung der Beringstraße, altperuanischen Weltentstehungsmythen bis hin zu kosmischen Visionen und der Anbetung der Pachamama, der Mutter Erde. Sie wird noch heute in friedlicher Koexistenz mit ihren christlichen Konkurrenten verehrt.
Die historische Abhandlung erzählt von Kult und Kunsthandwerk, Textilkunst und der Verarbeitung von Gold und Silber. Die Vorinkazeit wird darin ebenso behandelt wie die republikanische Gegenwart. Dort, wo „Himalaja, Sahara und die Beringsee sich vermählen“, zwischen Kordillerenkämmen, verschneiten Vulkanspitzen und Nebelwäldern, florierte das beeindruckende Inkareich. Seeler beschreibt ausführlich architektonisches und künstlerisches Schaffen, erzählt von waghalsigen Agavenhängebrücken, komplexen Kanalsystemen und durch Felsen geschlagenen Straßen. Dass Konquistadoren einen Großteil der Zeugnisse der Andenhochkulturen zerstörten und über die Trümmer ihre Kolonialarchitektur setzten, ist bekannt.
Im zweiten Teil, „Unterwegs in Peru und Bolivien“, führt der Autor seine Leser quer durch die beiden Länder. Von Lima über die Amazonasquellen, dem heiligen Tal bis zum Titicacasee geht die Reise. Die Salzwüste von Uyuni, so lesen wir, ist nicht nur die größte Salztonebene der Welt, sondern nach der Aymara-Mythologie die in die Ebene geflossene Milch einer Vulkanfrau. Wenn man sie durchquert, gelangt man zur Grubenstadt Potosí. Dem Cerro Rico, dem Reichen Berg, wird seit fast fünfhundert Jahren Silber und Zinn aus dem Leib gekratzt.
Historisch und kulturgeschichtlich kommen Leser voll auf ihre Kosten. Ausführliche Beschreibungen archäologischer Stätten, Ruinen, Grabmäler und Museen gibt es in Hülle und Fülle. Und so dürfte dieser Reiseführer vor allem bildungsbeflissene Kunstliebhaber begeistern – nicht jeder wird am Fuße eines Vulkans oder mitten auf der Inkastraße den Nerv haben, die manchmal etwas überladenen Abhandlungen zu lesen.
Nützlich: die kleinen Stadtpläne, in denen die Sehenswürdigkeiten verzeichnet sind, und eine Punktwertung, die die Highlights von eher unspektakuläreren Orten unterscheidet. Tipps und Informationen zu den üblichen Themen wie Unterkünfte und Servicenummern befinden sich im Anhang. Alles in allem ein informatives Bildungsbuch für an Kunst und Geschichte Interessierte.
ANNA SCHAFFNER
Rolf Seeler: „Peru und Bolivien“. Ein Kunst-Reiseführer. DuMont, Köln 2001, 384 Seiten, 25,90 €
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