■ reingeschaut: Keine Gewalt in der Ausbildung
Es ist stockfinstere Nacht. Auf der Straße liegt laut singend ein betrunkener alter Mann. Vier jungen Männer kommen auf ihn zu, der Betrachter ahnt das Schlimmste. Dann stutzt er: Die Jugendlichen sind nicht mit Baseballjacken und -caps bekleidet, sondern tragen Overalls und Bowler-Hüte und sind mit Spazierstöcken bewaffnet.
Der Videofilm „Nicht erst wenn's knallt ... – Gewaltprävention in der Berufsausbildung“, den das Bundesinstitut für Berufsbildung als Baustein eines Weiterbildungsseminars zum Thema produziert hat, beginnt mit diesem berühmten Ausschnitt aus Stanley Kubricks Film „Uhrwerk Orange“. Auch heute noch, fast dreißig Jahre nach der Uraufführung von „Uhrwerk Orange“, wird dieses Thema heiß diskutiert. Dass jedoch die Berufsausbildung ein möglicher Ansatzpunkt für Gewaltprävention bei Jugendlichen ist, ist in der Öffentlichkeit bisher wenig bekannt. Dort existiert im Allgemeinen das Bild von Jugendlichen, die gewalttätig werden, weil sie arbeitslos sind. Die Realität sieht anders aus: Die meisten jugendlichen Gewalttäter befinden sich in der Ausbildung oder haben Arbeit. Die Berufsausbildung, als letzte formale Instanz mit der die Gesellschaft die Jugendlichen erreicht, bietet also die Möglichkeit, persönlichkeitsformend auf den Einzelnen zu wirken. Eine Tatsache, die über den rein fachlichen Ausbildungsauftrag weit hinausgeht, und an die Ausbilder hohe Anforderungen stellt.
Der Videofilm soll sie für diese Aufgabe sensibilisieren. Im ersten Teil wird erklärt, welche Formen der Gewalt es gibt, er analysiert die Ursachen und lässt die Beteiligten – Ausbilder, Auszubildende und jugendliche Gewalttäter – zu Wort kommen. Schon über die Frage, wo Gewalt beginnt, sind sich die Teilnehmer uneinig: Ist eine verbale Attacke gegen eine Person schon eine Form von Gewalt? Ein Erklärungsmuster für die Problematikbietet der Jugend- und Gewaltforscher Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer. Seine Aussagen werden von den Berichten der Jugendlichen gestützt. Der erste Teil, der ansonsten einen sehr guten Einblick in das Phänomen Jugendgewalt liefert, endet recht plakativ, indem er alles Negative schwarzweiß, alles Positive farbig darstellt. Im zweiten, sehr praxisorientierten Teil werden Ausbildungssituationen dargestellt, in denen die verschiedenen Instrumente der Prävention und Intervention eingesetzt werden. Erläutert werden die Beispiele von Ausbildern und Ausbilderinnen, die die Konzepte in ihren Betrieben erprobt haben. Demnach hat sich etwa die gleitende Arbeitszeit sehr positiv auf die Eigenverantwortlichkeit der Jugendlichen ausgewirkt. Auf der anderen Seite werden Situationen wie das klärende Gespräch zweier Streithälse nur sehr verkürzt wiedergegeben.
Überzeugend an dem Film ist die klare Gliederung. Durch die Einblendung der Zwischenüberschriften werden die einzelnen Aussagen nochmals zusammengefasst und der Betrachter kann die wichtigsten Fakten, wie in einem Seminar, mitschreiben. Praktische Lösungsstrategien werden jedoch nur in kurzen Stichworten aufgezeigt. Leider werden auch nur zwei der interviewten Personen mit Namen und Funktion vorgestellt, bei der Einordnung der übrigen Interviewpartner bleibt der Betrachter dagegen ziemlich alleine. Sicher eröffnet dieser Film einen neuen Blickwinkel auf den Umgang mit dem Phänomen Jugendgewalt. Durch die verkürzte Darstellung bietet er jedoch nur eine Anregung, die Prozesse in der Ausbildung neu zu überdenken. Karin Hahn ‚/B‘„Nicht erst wenn's knallt – Gewaltprävention in der Berufsausbildung“. Buch und Regie Maria Böhm, W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld, VHS, Laufzeit 33 Minuten. 80 Mark.
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