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radschlagMiguel Martinez fährt im Gelände und auf der Straße

Zwischen den Rädern

Als Zehnjähriger schaute sich Miguel Martinez wie die meisten französischen Jungen die Tour de France im Fernsehen an. Nach der Übertragung schnappte er sich dann ein Trikot aus dem Schrank seines Vaters, setzte sich aufs Fahrrad und fuhr so schnell er konnte rund um seine Heimatstadt Fourchambault an der Cote d’Azur. Besonders gut gefiel dem kleinen Miguel dabei das Trikot mit den lustigen roten Punkten, das ihm viel zu weit gewesen sein muss. Dass es das Trikot des Bergbesten bei der Tour der France war, das sein Vater Mariano 1978 gewonnen hatte, erfuhr Miguel erst ein paar Jahre später, damals war er noch zu klein dazu.

Heute, mit 26 Jahren, kennt Miguel Martinez nur noch ein Ziel: Er möchte dieses Trikot selbst einmal gewinnen. In diesem Sommer kam er, der Mountainbike-Olympiasieger von Sydney 2000, diesem Ziel so nahe wie nie zuvor: Martinez fuhr erstmals bei der Tour mit, wurde 48. und machte im Gebirge eine ausgesprochen gute Figur. Um sich den Traum vom Hemd des Vaters verwirklichen zu können, müsste sich Mountainbiker Martinez allerdings ganz auf den Straßenradsport konzentrieren. Doch der endültige Wechsel mag ihm nicht so recht gelingen: In diesem Jahr stand er sowohl bei einer Profi-Straßenradmannschaft als auch bei einem profesionellen Mountainbike-Team in Lohn und Brot; mit dem Ergebnis, dass er nun auf der Straße ohne Vertrag da steht und im Mountainbiken seinen Möglichkeiten hinterherfährt.

Denn nach seinem achtbaren Tour-de-France-Debüt für die italienische Mannschaft Mapei-Quick-Step verlangte der Mountainbike-Sponsor von Martinez eine seriöse Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft, die am Wochenende in Kaprun stattfand. Deshalb konnte Martinez nicht für Quick-Step bei der Dänemark-Rundfahrt starten– und wurde vorzeitig entlassen. Eine gute Form für die Mountainbike-WM konnte er nach der Tour jedoch auch nicht mehr aufbauen: Martinez musste das Rennen in Kaprun abgeschlagen und entkräftet aufgeben. „Je mehr ich auf der Straße fahre, desto schlechter werde ich im Gelände“, seufzte er.

Überhaupt findet Martinez, dass der Mountainbikesport die härtere Raddisziplin ist: „Da geht es bei den Rennen von Anfang an zur Sache und du bist auf dich alleine gestellt.“ Auf der Straße hingegen gebe es immer wieder auch ruhigere Phasen und man könne sich ab und an auch einmal in der Mannschaft verstecken. Doch das ist nicht der Grund, warum Martinez gerne ein reiner Straßenprofi wäre, sondern: „Ich liebe einfach die Kultur des Straßenradsports.“

Doch derzeit kann der Franzose mit dem spanischen Namen dem Mountainbiken nicht entkommen. Die meisten Verträge für die Straßennsaison 2003 sind gemacht – und Martinez hat noch immer keinen Arbeitgeber gefunden. Gerne wäre er zum Team Telekom gegangen, sagt er, nicht zuletzt weil Telekom sowohl eine Straßen- als auch eine Mountainbike-Abteilung unterhält. Doch Telekom hat mit Cadel Evans schon einen Ex-Biker geheuert, das ist anscheinend genug. Auch bei anderen Teams sieht es derzeit nicht eben rosig aus.

Deshalb stellt sich Martinez darauf ein, sich doch noch eine Weile im Geändesport einrichten zu müssen: „Zu einer zweitklassigen Straßenmannschaft gehe ich jedenfalls nicht“, sagt er. Schließlich ist er schon die Tour de France gefahren und hat Blut geleckt; bei kleineren Straßenrennen zu tingeln, kommt für ihn nicht mehr in Frage. Lieber wartet er noch ein wenig auf das Trikot mit den roten Punkten. SEBASTIAN MOLL

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