■ Die Anderen: "Welt", "Handelsblatt", "Berliner Zeitung" zur Senkung der Leitzinsen durch die Bundesbank
Die „Welt“ begrüßt die Senkung der Leitzinsen durch die Bundesbank: Die Senkung der Leitzinsen kann der Bundesbank nicht als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden. Vor Finanzminister Lafontaine knicken die Währungshüter keineswegs ein. Angesichts europaweit extrem niedriger Inflationsraten und einer offensichtlichen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums läßt sich ein solcher Zinsschritt durchaus rechtfertigen. Dies sah nicht nur Oskar Lafontaine so. Die Zinssenkung war kein eigenständiger Beschluß der Deutschen Bundesbank. Erstmals bestimmte die Europäische Zentralbank (EZB) das Geschehen. Nicht von ungefähr senkten alle elf Notenbanken in Euro-Land ihre Zinssätze. Sie vollzogen damit lediglich einen Beschluß des EZB-Rates vom Wochenanfang. Der Deutsche Zentralbankrat ist entmachtet, es lebe die Europäische Zentralbank.
Das Düsseldorfer „Handelsblatt“ sieht keine politische Einflußnahme auf die Bundesbanker: Die Versuchung wird groß sein, die Zinssenkung politisch auszuschlachten. Aber es wäre leichtsinnig, den Schluß zu ziehen, Minister müßten nur lange genug drücken, bis die Zentralbanker nachgeben. Die Bundesbank hat Anfang November Lafontaines Drängen nach einer Geldverbilligung zurückgewiesen. Der Minister hat damals einlenken müssen, was wohl die Voraussetzung dafür war, daß die europäischen Zentralbanken jetzt das tun, was Lafontaine immer wieder beharrlich gefordert hat. Gelassen können sie hinnehmen, wenn man ihnen jetzt nachsagt, sie hätten sich den Politikern gebeugt. Es ist dem Bundesbank-Präsidenten zu glauben, wenn er versichert, politische Überlegungen hätten bei ihren Entscheidungen keinen Einfluß gehabt.
Die „Berliner Zeitung“ glaubt an einen Imageverlust der Bundesbank: Die Botschaft aus dem Hause der Deutschen Bundesbank hört man wohl. Nach allem, was dem obersten Währungshüter Hans Tietmeyer bisher heilig war, fehlt aber fast der Glaube: Der Wertpapierpensionssatz, der sogenannte dritte Leitzins, wird gesenkt. Das ist fürwahr eine gelungene Überraschung. Der Vorgang zeigt, daß das, was gestern falsch war, heute durchaus richtig sein kann. Die Senkungen sind unter den Euro-Ländern abgestimmt und sollen den Druck auf die für die künftige Zinspolitik zuständige Europäische Zentralbank mindern. Erst vor ein paar Wochen hatte der Zentralbankrat die von Finanzminister Oskar Lafontaine losgetretene Zinsdebatte als überflüssig und sinnlos abgetan – vielleicht etwas vorschnell. Nun steht die Bundesbank mit ihrer Meinung allein da und verkauft mit spitzen Fingern das Gegenteil. Das ist peinlich für Hans Tietmeyer und seine ehrwürdige Institution. Der Ruhm bröckelt.
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