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"Überall in Birma herrscht Angst"

■ Die birmesische Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi drängt die regierende Militärjunta weiter unbeirrt zu Verhandlungen, um einen friedlichen Wandel zur Demokratie zu erreichen

taz: Werden Sie wieder versuchen, ihren Bewachern vom Geheimdienst zu entwischen und Rangun zu verlassen?

Aung San Suu Kyi: Ich könnte schon jetzt wieder losfahren – es ist nur eine Frage des richtigen Zeitpunktes. Ich war meinen Bewachern übrigens nie entwischt. Sie sind mit drei Wagen gefolgt – bis ich angehalten wurde.

Die Junta erklärt, sie habe Sie zu Ihrem eigenen Schutz gezwungen, wieder nach Rangun zurückzukehren.

Um mich zu schützen? Mitglieder dieser Regierung selbst haben in der Vergangenheit dazu aufgerufen, mich umzubringen. Ein Minister, der zugleich Chef der USDA ist [„United Solidarity And Development Organisation“ – eine sogenannte Massenorganisation der Regierung mit nach eigenen Angaben zehn Millionen Mitgliedern, d. Red.], hat die USDA öffentlich aufgefordert, mich zu vernichten. Sie sollen mich töten, hat er wörtlich gesagt. Wie soll ich ernsthaft glauben, die Regierung sei um meine Sicherheit besorgt?

Nach Darstellung der Junta sind viele Leute in Birma wütend über Sie, weil Sie das Ausland zu Wirtschaftssanktionen aufgefordert haben. Deshalb gehe es der Wirtschaft so schlecht.

Dieser Vorwurf ist nicht neu. Aber da kann etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Wie kann ich so viel Macht haben, zu bestimmen, ob Investitionen und Touristen nach Birma kommen? Die Junta behauptet doch, sie sei die Regierung.

Muß die Opposition in dieser festgefahrenen Lage nicht versuchen, eine neue Strategie zu entwickeln?

Wir haben schon verschiedene Strategien ausprobiert. Aber wir wollen eine friedliche Lösung, und die muß durch Verhandlungen gefunden werden. Selbst Kriege enden damit, daß Leute um den Tisch sitzen und miteinander reden. Kluge Leute verhandeln schneller. Ich weiß nicht, ob es eine Frage von mangelnder Intelligenz oder fehlender Sorge um das Land ist, warum die Junta sich bisher weigert.

Gespräche zwischen den Generälen und der Opposition kommen unter anderem nicht zustande, weil Sie darauf bestehen teilzunehmen. Das lehnt die Junta ab.

Ich habe nie gesagt, ich müsse dabeisein. Wir haben erklärt, daß die Gespräche auf gleichberechtigter Basis stattfinden müssen. Wenn sie bestimmen, wen sie als ihre Vertreter schicken, dann müssen wir unsere Repräsentanten ebenfalls selbst auswählen.

Wie kann Bewegung in die Sache gebracht werden?

Unsere Haltung ist völlig vernünftig. Die Generäle müssen lernen, das zu akzeptieren. Ich glaube nicht, daß sie ernsthaft politische Verhandlungen wollen. Sie denken immer noch, sie könnten an mir vorbeikommen.

Muß es erst wie in Indonesien Unruhen geben, bevor sich etwas verändert?

Nicht immer sind es Volksaufstände, die politischen Wandel bringen, aber meistens gibt es sie irgendwann einmal in der Geschichte. Wir hatten unsere Unruhen schon 1988. Ich will ganz sicher nicht noch mehr Blutvergießen. Ich fürchte nicht so sehr, daß die Leute außer Kontrolle geraten, sondern daß die Armee mit einem neuen Massaker davonkommen würde. Überall in Birma herrscht Angst. Nicht nur bei den einfachen Leuten, auch beim Militär. Warum haben sie soviel Angst, sich an den Verhandlungstisch zu setzen?

Arbeitet die Zeit für Sie?

Ich bin eine vorsichtige Optimistin. Wir waren immer zuversichtlich, daß wir unser Ziel schließlich erreichen werden. Je eher, desto besser. Je länger es braucht, desto mehr Leiden gibt es. Indonesien zeigt, daß die Entwicklung zugunsten der Demokratie geht. Vor einem Jahr war noch die Rede von „asiatischen Werten“ und daß Demokratie ein westliches Konzept sei. Davon hört man nichts mehr. Das ist gut für uns. Wir haben immer vertreten, daß wirtschaftlicher Fortschritt nicht von politischer Stabilität zu trennen ist. Man kann Stabilität nicht erreichen, wenn die Menschen nicht an der Regierung des Landes beteiligt sind.

Die Entwicklung hat Ihnen recht gegeben?

In Südostasien haben wir gelernt: Politische Veränderungen kommen nur, wenn die Wirtschaft in Schwierigkeiten steckt. Wenn alles glattläuft, behaupten autoritäre Regime gewöhnlich, sie machten ihre Arbeit gut und hätten deshalb das Recht, an der Macht zu bleiben.

Der philippinische Außenminister Domingo Siazon hat kürzlich Birma mit den Philippinen vor dem Sturz des Diktators Marcos 1986 verglichen und die Oppositionellen im Exil kaum verhüllt aufgefordert, nach Hause zurückzugehen und dort für Veränderungen zu kämpfen...

Das war wirklich erstaunlich. Aber ich glaube, er hat nicht ganz recht. Die Situation ist nicht vergleichbar. Damals hatte die Opposition auf den Philippinen viel mehr Spielraum als wir hier.

Sie haben der Junta ein Ultimatum gestellt...

Wir haben sie nur aufgefordert, bis zum 21. August das 1990 gewählte Parlament einzuberufen.

Und wenn nicht?

Für diesen Fall haben wir uns natürlich schon etwas überlegt. Mehr verrate ich Ihnen nicht. Interview: Jutta Lietsch

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