piwik no script img

"Schwer zu glauben"

■ Der künftige US-Soccer-Coach Bruce Arena staunt über die 0:2-Niederlage seines D.C.-United-Teams gegen Chicago im MLS-Finale

Pasadena (taz) – Fußballtrainer Bruce Arena war es zur Gewohnheit geworden, am Saisonende mit Washington D.C. United als Meister der amerikanischen Major League Soccer (MLS) dazustehen. 1996 war ihm das gelungen, ebenso 1997. Und deshalb wußte Arena nicht, warum ihm das 1998 nicht auch gelingen sollte, ging siegesgewiß in das MLS-Finale in der Rose Bowl von Pasadena – und verlor. 0:2 unterlagen seine Spieler dem Team von Chicago Fire, das erst vor dieser Saison gegründet wurde und dessen Trainer Bob Bradley 1997 noch Arenas Assistent war. Arena, demnächst vielleicht US- Nationalcoach, wußte gar nicht, wie ihm geschah: „Es ist schwer zu glauben, daß wir nicht das beste Team der Liga sind.“ Er fing an, gegen Schiedsrichter Kevin Terry zu stänkern wegen „einiger umstrittener Pfiffe“, dann brachte er ein paar dünne Komplimente hervor („Laßt uns am Ende Chicagos Leistung anerkennen“). Und verschwand. Vermutlich, um im stillen zu erörtern, wie das Unvorstellbare hatte passieren können.

Dabei war Chicagos Sieg gar nicht verwunderlich. Arena hat lauter US- und lateinamerikanische Ballkünstler um sich, die flink kombinieren und dribbeln, aber dabei in jugendlichem Eifer oft vergessen, daß es noch ein paar andere Arbeiten im Felde zu verrichten gibt. Ganz anders Chicagos Personal. Deren Chefs haben sich nämlich in dem polnischen Spielmacher Peter Nowak, 34, einst 1860 München, und Tschechiens Lubos Kubik, einst Prag, Nürnberg, Metz, Florenz, routinierte Experten aus Europa geholt, die den amerikanischen Kräften beigebracht haben, daß Kampf und taktisches Kalkül vor dem Doppelpaß kommen. Aus einem amerikanischen Durchschnittsteam ist so ein amerikanisches Durchschnittsteam mit europäischer Arbeitsauffassung geworden.

Den Erfolg sah man in der Rose Bowl: Während Washingtons Luxusbolivianer Marco Etcheverry vergeblich zu zaubern versuchte, weil Chris Armas ihn streng beschattete, dribbelte Nowak munter durch eine Defensive der unbegrenzten Möglichkeiten, bereitete das 1:0 (Jerzy Podbrozny, 29.) vor und schoß das 2:0 selbst (45.). In Chicagos Verteidigung stand Kubik als kompromißloser Ausputzer, während bei United eine Viererkette elegant, aber wenig zupackend agierte.

Es war ein Spiel mit vielen Un- zulänglichkeiten. Aber unterhaltsam. Und das war wohl das Wichtigste für die Verantwortlichen der MLS, die sich schwertun, ihr Produkt in den USA zu etablieren. Es ist ein harter Wettbewerb um die Gunst des Publikums gegen die Volkssportarten Football, Baseball, Basketball und Eishockey, da war es wichtig, daß ABC bei seiner Übertragung keinen drögen Mittelfeldkick mit klug gestaffelten Titelbewerbern präsentieren mußte und die 51.350 Zuschauer im Stadion Spaß hatten. Man ist für alles dankbar bei der MLS, was Fortschritt verheißt. „Wir wachsen langsam“, sagt Dan Courtemanche, MLS-Pressesprecher. Und MLS-Chef Douglas Logan erklärt: „Da gibt es Leute, die wollen, daß wir in den ersten fünf Jahren die Bundesliga sind. Das wird nicht passieren.“

Zumal gar nicht sicher ist, ob die MLS so weiterarbeiten darf, wie sie es derzeit tut. Um zu verhindern, daß Teams sich rettungslos verschulden, haben sich die Gründer nämlich eine für US-Profiligen einzigartige Unternehmensstruktur ausgedacht, Single Entity Concept genannt, nach der die Teams nicht individuell wirtschaften, sondern abhängige Abteilungen der Firma MLS sind. Aus einem Gesamtbudget, in das die Teambesitzer einbezahlen, leitet die MLS feste Budgetgrenzen für die Teams und feste Gehaltsgrenzen für die Spieler ab, die nicht bei den Klubs, sondern bei der Liga angestellt sind. Der Höchstverdienst liegt bei jährlich 195.000 Dollar. Das paßt den Kickern natürlich nicht, weshalb sie im Februar 1997 vor Gericht gezogen sind. Das Verfahren ist schwebend und kann sich noch über Jahre hinziehen. Aber als böses Ende für die MLS könnte herauskommen, daß ihr Konzept illegal ist, die Teambesitzer unabhängig wirtschaften müssen und sich reihenweise finanziell verheben. Das wäre das Ende der MLS. Und jemand wie Bruce Arena würde viel mehr verlieren als nur ein Finale. Thomas Hahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen