: "Nur selber lesen macht schlau und mutig"
■ betr.: "Hallo, bitte, nein danke" von Mirjam Schaub, taz vom 9.5.92
betr.: „Hallo, bitte, nein danke“ von Mirjam Schaub, taz vom 9.5.92
Ich bin eine berufstätige Durchschnittsfrau, mit kritischem Bewußtsein, jedoch chronischem Zeitmangel — um so elektrisierter war ich, als mir 1983 das Buch der Linguistin Senta Trömel-Plötz: Frauensprache, in die Hände geriet. Viele, auch ich, verschlangen ihr spannend geschriebenes Buch und setzten seitdem ihre sprachkritischen Vorschläge für eine gerechtere, die Frauen berücksichtigende Sprache in die Tat um. Die deutsche Sprache kam in kreative Bewegung, bis hin in die obersten Spitzen der Behörden.
Durch Mirjam Schaubs Besprechung des neuen Werks von Trömel- Plötz: Vatersprache — Mutterland, 1992 „angeregt“, besorgte ich nun ein Exemplar, weil ich diesen äußerst negativen, fast vernichtenden Verriß an dem Buch selber überprüfen wollte. Und ich widerspreche hiermit vehement ihrer Totaldemontage.
Vatersprache — Mutterland, ein Titel, der übrigens total ins Schwarze trifft, ist nicht, wie Mirjam Schaub verächtlich bemerkt, „ein populärwissenschaftlicher Aufguß, sondern eine Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen aus den Jahren 1984 bis 1991 und, wie der Untertitel des Buches ergänzt: Beobachtungen zu Politik und Sprache. Das liest sich spannend, verständlich, zum Teil in der Erkenntnisschärfe auch beklemmend. Schaub versucht in der ganzen Buchbesprechung die Irrelevanz der Trömel-Plötzschen Themen nachzuweisen. Hierfür ein Beispiel. Schaubs These: „Es ist für Frauen heute kein Problem, Frauenreservate im Wissenschaftsbetrieb zu besetzen... Die Schwierigkeit liegt darin, als feministische Wissenschaftlerin in klassischen Männerdomänen (wie z.B. Logik, VWL, Jura) Anerkennung zu finden.“ Mit dieser dummdreisten, die Wirklichkeit karikierenden Aussage, soll der m.E. wichtigste Aufsatz in diesem Buch, „Der Ausschluß der Frauen aus der Universität“, für irrelevant erklärt werden. Denn: Jede aktuelle Statistik spricht eindeutig für den Ausschluß der Frauen aus der Universität — ob nun Feministin oder nicht. Im Gegenteil: Ich würde gerade diesen Artikel zur „Pflichtlektüre“ für alle Lehrenden und Lernenden an deutschen Universitäten erklären. Denn, so die bittere und unbestechliche Erkenntnis von Trömel-Plötz: Der Schulterschluß der Männer gegen die Frauen im Wissenschaftsbetrieb funktioniert (im Gegensatz zu Nazizeiten, als noch Gesetze herhalten mußten!) reibungslos und wie geölt. Eine Erkenntnis, die unter die Haut geht! Meine Gegenthese zu Schaubs böser Buchkritik: Laßt Euch nicht abschrecken — kauft und überzeugt Euch selbst von den Inhalten. Nur selber lesen macht schlau und mutig. Doro Krüger, Hamburg
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