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"Liebe taz..." Nein, Herr Pleyn - betr.: "Durch den guten Ruf angelockt", taz vom 14.1.1997

Betrifft: „Durch den guten Ruf angelockt“, taz vom 14.1.1997

Den Aussagen von Stephan Pleyn vom Theaterbüro im Kontorhaus über die Freie Bremer Theaterszene sowie seinen politischen Empfehlungen muß ich widersprechen! Trotz aller Schwierigkeiten gibt es in Bremen eine große Anzahl suchende und versuchende Theater- und Tanzproduktionen, Gruppen und Einzelkünstler – auch ohne oder mit wenig Geld.

Das hat zwar häufig die Folge, daß die künstlerischen Sprünge kleiner ausfallen und weniger öffentlich auffällig ablaufen. Denn für sowas gibt es in Bremen kaum eine Lobby und fast keine berichtenden Medien.

In positiver Sicht läßt sich in der Freien Theaterlandschaft in Bremen eine kontrastierenden Vielfalt der künstlerischen Ansätze erkennen, und darin liegt ein enormes kreatives Potential, das durch einen künstlerischen Diskurs für diese Stadt fruchtbar werden könnte.

Ich halte Herrn Pleyns strukturelle Vorschläge zwar auf den ersten Blick für diskussionswürdig, weil scheinbar die Effektivität der Freien Bremer Theaterszene im Vordergrund seines Interesses steht. Bei genauerem Hinsehen taugen Stephan Pleyns „grundsätzliche Überlegungen“ aber wenig, weil eine Konzentration der Produktionsgelder und der Produktionsverwertung an den realen Verhältnissen und Bedürfnissen der Freien Bremer Theaterszene völlig vorbei geht. Es wird dadurch für den einzelnen Antragsteller noch schwieriger, unabhängig an Produktionskostenzuschüsse zu kommen. Pleyns Vorschläge hinterlassen bei mir den üblen Nachgeschmack, daß bei seiner Strategie der Eigennutz eine Rolle spielt.

Auch der Vorschlag eines gemeinsamen Projektes zwischen „Satyricon“ und „Jungem Theater“ klingt erstmal ganz akzeptabel und integrativ. Mit Sachverstand läßt sich aber leicht erkennen, daß die künstlerischen Anliegen, Stile und Themen von „Satyricon“ und „Jungem Theater“ geradezu aus zwei Theaterwelten entstammen.

Aber da wäre es sicher gerade interessant, miteinander ins Gespräch zu treten. Das ist es nämlich, was der Freien Bremer Theaterszene wirklich fehlt: der künstlerische Austausch und inhaltliche Diskurs zwischen den Theaterschaffenden. Damit nämlich könnte neben der vielfältigen auch wieder eine lebendige Freie Theaterlandschaft Bremen entstehen.

Markus Herlyn, „Studio 13 für Theater und Literatur“

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