: "Liebe taz..." Eigentlich war der Gewinn kein Gewinn -betr.: "Regenzeit in der Türkei", taz-Bremen vom 15.8.1998
Betrifft: „Regenzeit in der Türkei“, taz vom 15.8.1998
Ich habe mit viel Interesse Ihren Bericht über die „Regenzeit in der Türkei“ gelesen. Ich kann nur aus eigener Erfahrung den Inhalt bestätigen. Weil es gerade zwei Tage her ist, möchte ich es Ihnen einmal schildern.
Mitte der Woche erhielt ich ein Schreiben der Firma „Geo Media Reisen“ mit der Mitteilung, daß ich eine Reise in die Türkei gewonnen hätte. Die Freude war groß. Wie kam ich zu diesem „Gewinn“? Vorrausgegangen war ein Preisausschreiben im Frühjahr, das meine Tochter in meinem Namen ausgefüllt hatte und schon eine Tagestour für vier Personen nach Borkum gewonnen hatte. Dort sollte auf einer Minikreuzfahrt eine Sonderverlosung und eine Werbeveranstaltung der Firma „Casino Reisen“ stattfinden. Wir nahmen an dieser Tagestour nicht teil.
Letzte Woche flatterte und nun dieser Gewinn ins Haus. Am Nachmittag fuhr ich zu der Firma. Ich fand eine gemietete Wohnung vor, in der sich der Reiseveranstalter und weitere Angestellte befanden. Das Telefon und das Fax läuteten ununterbrochen. Der Geschäftsführer empfing mich nicht gerade sehr freundlich, bot mir jedoch einen „Supersonderpreis für den Rest der Familie“ (zwei Kinder, ein Erwachsener) für 1.796 DM an in einem Drei-Sterne-Hotel, mit dem Hinweis der Bearbeitungsgebühr von 98 DM.
Ich sollte mich nun innerhalb von sieben Tagen entscheiden, welchen Flug ich von Ende Oktober an wahrnehmen wollte. Selbstverständlich war kein Flug ab Bremen dabei. Als wir überlegten, daß nur der Flug ab Frankfurt wegen des Termins in Frage käme, erkundigte ich mich bei der Bundesbahn. Die Zugfahrt hätte ca. 700 Mark gekostet, ein gemietetes Auto 130 Mark.
Am nächsten Tag rief ich ein Reisebüro an. Ich wollte mir ein Angebot mit den gleichen Bedingungen geben lassen. Das erste Angebot war unter wesentlich besseren Vorraussetzungen (Fünfsternehotel, Flug ab Bremen, Halbpension) für nur 559 DM zu haben. Die nette Reisekauffrau von „Öger Tour“ informierte mich auch gleich über die Verkaufsmachenschaften dieser Reiseveranstalter. Sie teilte mir gleichzeitig mit, daß es solche Angebote auch noch für die Insel Malta gäbe.
Da war natürlich dieser „Gewinn“ gestrichen für unsere Familie. Die Kinder konnten es überhaupt nicht verstehen, weil es doch „so preiswert ist“. Wir Erwachsenen ärgerten uns sehr darüber, daß wir dieses Angebot fast wahrgenommen hätten. Rechtlich können solche Firmen sicherlich nicht belangt werden, doch ich frage mich, ob es nicht unlauterer Wettbewerb ist. Für uns war es jedenfalls ein Lehrstück, daß selbst wir uns erst einen Tag damit beschäftigt haben, um dahinterzukommen, daß es, wie die nette Reisekauffrau uns mitteilte, ja eigentlich „kein Gewinn ist“.
Christa Komar
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