■ Die Anderen: "El Mundo" aus Madrid, "Financial Times" und "Guardian" aus London zu Pinochet / "Zycie" aus Polen zur rot-grünen Außenpolitik
Zur Entscheidung der britischen Richter im Fall Pinochet schreibt „El Mundo“ aus Madrid: Die Entscheidung der britischen Richter ist ungewöhnlich und gefährlich. Großbritannien läuft nun Gefahr, zu einem Paradies für entthronte Diktatoren aus aller Welt zu werden. Nach dieser Logik könnte weder ein Hitler noch ein Pol Pot vor Gericht gestellt werden. Wenn das Urteil nicht revidiert wird, genießt künftig jeder Staats- oder Regierungchef in Großbritannien Straffreiheit, auch wenn er wie im Falle Pinochets die Menschen in Massen foltern und ermorden ließ. Warum spricht man noch länger von einem internationalen Tribunal, wenn ein Staat solch unsinnige Kriterien zugrunde legt? Will man bei verbrecherischen Regimen künftig die Ausführenden von Befehlen verurteilen und die Befehlsgeber schonen?
In eher mildem Licht sieht die Londoner „Financial Times“ die Pinochet-Entscheidung: Beide Seiten sollten Überlegungen darüber anstellen, in welch krassem Gegensatz die Gerechtigkeit für den General zur Verweigerung der Gerechtigkeit für die vielen Opfer steht, die unter seinem Regime ermordet wurden. Einen internationalen Strafgerichtshof, vor dem Fälle dieser Art behandelt werden könnten, wird es voraussichtlich zu Lebzeiten Pinochets nicht mehr geben. Aber wenn der Besuch in Großbritannien einen alten Mann gezwungen hat, über seine Verbrechen nachzudenken, ist das eine Art von Gerechtigkeit.
Der britische „Guardian“ entdeckt trotz der Aufhebung des Haftbefehls Positives in der Pinochet-Affäre: General Augusto Pinochet ist gut behandelt worden vom Rechtssytem eines Landes, dessen Kultiviertheit und Mäßigkeit er lobt. Das beste Ergebnis der vergangenen zwei Wochen der Unsicherheit ist, daß der General es sich künftig überlegen muß, ob er jemals wieder eine Auslandsreise unternimmt. Schon jetzt wollen die meisten europäischen Länder ihn nicht haben. Augusto Pinochet sollte nach Hause fahren und nie wiederkehren in das Land der Mäßigung, dessen er nicht würdig ist.
Das konservative polnische Blatt „Zycie“ befürchtet, daß Rot-Grün die Außenpolitik vernachlässigt: Die Linke, die in Deutschland die Wahlen gewann, hat angekündigt, daß für sie vor allem innenpolitische Angelegenheiten zählen: Arbeitslosigkeit, Einwanderung, soziale Konflikte und so weiter. In diesem Zusammenhang wundert es nicht, daß die Deutschen nicht darauf brennen, uns Polen in den Reihen der Europäischen Union zu begrüßen. Es scheint auch, daß die deutsche Linke keine Vision des zukünftigen Europa hat, zumindest nicht so wie Kohl. Es besteht Grund zu der Sorge, daß bei den außenpolitischen Problemen gerade die polnischen Angelegenheiten in Berlin keine grundsätzliche Bedeutung haben werden.
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