: "Dieser Platz ist bitter"
■ Nach zwei medaillenlosen Tagen bei der Schwimm-WM grassiert Enttäuschung im deutschen Team. Australien bejubelt Staffelsieg
Perth (dpa/taz) – „Hier in Perth spielt sich eine traurige Geschichte ab“, stellte der viermalige Olympiasieger Roland Matthes fest, nachdem sich auch gestern die Medaillenhoffnungen des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) nicht erfüllt hatten. „Die Oldtimer bilden den Kern der Mannschaft“, hat der gebürtige Thüringer ausgemacht, „voll am Boden“ sieht er die Nachwuchsarbeit und das Fördersystem des DSV: „Es kommen keine Talente mehr aus den kleinen Vereinen nach.“ Auch DSV- Teamchef Winfried Leopold mahnte: „Wenn wir bei Olympia in Sydney Medaillen gewinnen wollen, muß es Veränderungen geben.“ Aktive und Trainer forderten den Schwimmprofi.
Als Claudia Poll aus Costa Rica nach 1:58,90 Minuten als Siegerin über 200 m Freistil angeschlagen hatte, war Franziska van Almsick Ex-Weltmeisterin. Ihr Weltrekord liegt bei 1:56,78 Minuten. „Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, daß die Zeiten langsam sind, wenn ich nicht dabei bin“, erklärte die 19jährige Berlinerin, die acht Monate nach ihrem Motorradunfall in Perth nur in der Staffel schwimmt. Antje Buschschulte und Kerstin Kielgaß hatten mit dem Kampf um den Titel nichts zu tun. Kielgaß wurde in 2:00,01 Minuten Fünfte, Medaillenhoffnung Buschschulte schied im Vorlauf als 21. aus. „Für mich wäre eine gute Zeit wichtiger gewesen als der Platz“, sagte die 29jährige Kielgaß, „jetzt bin ich von beidem enttäuscht.“ DSV-Präsident Rüdiger Tretow sah die Sache längst nicht so tragisch und zollte der Leistung von Kerstin Kielgaß verdienten Beifall: „Das ist ja super. Sie ist Fünftschnellste der Welt.“ Ein Aspekt, der im Eifer der Medaillenzählerei von Medien und Funktionären leicht verlorengeht.
In der 4x200m-Freistilstaffel wurde Sieger Australien Minuten stürmisch gefeiert. Das deutsche Quartett mit Christian Keller, Stefan Pohl, Jörg Hoffmann und Steffen Zesner schlug hinter den Gastgebern, den Niederlanden und den Briten als Vierte an. „Dieser Platz ist bitter“, meinte Schlußschwimmer Zesner.
Für die Brustschwimmerinnen Sylvia Gerasch und Ina Hüging reichte es über 100 m mit den Vorlauf-Plätzen 13 und 18 nicht zum Finale. Bundestrainer Achim Jedamsky machte vor allem aus seiner Enttäuschung über das Abschneiden von Ex-Weltmeisterin Gerasch (28) kein Hehl. „Es ist einfach nicht verständlich, daß eine so erfahrene Athletin immer neue taktische Varianten ins Spiel bringt.“ Weltmeisterin wurde die US-Amerikanerin Kristy Kowal in glänzenden 1:08,42 Minuten. Die australische Gold-Hoffnung und Publikumsliebling Samantha Riley mußte sich mit Rang sechs begnügen. Einen guten sechsten Platz belegte der Berliner Robert Seibt in 4:20,56 Minuten über 400 m Lagen. Der Amerikaner Tom Dolan verteidigte in 4:14,95 Minuten seinen WM-Titel von Rom 1994 erfolgreich.
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