: "Das Land sind wir"
■ Eine teutsche Kampagne sorgt derzeit für Nationalgefühl
Es kann auch in Deutschland nicht immer nur Kuchen mit Sahne geben. Die Hauptsache ist doch Brot“, verkündet ein Student namens Lars König. Eins von rund 40 Anzeigenmotiven, mit denen der Verein „Wir für Deutschland“ seit Mai für nationalen Aufschwung in den deutschen Köpfen sorgen will. Neben Lars König posierten hauptsächlich Promis aus Wirtschaft, Sport und Kultur für die social marketing- Kampagne, deren Anzeigen, Radio- und TV-Spots interessierte Medien kostenlos veröffentlichen können. Initiiert wurde die vaterländische Aktion von dem illustren Werbe-Profi Willy Schalk und Kaufhof-Chef Jens Odewald. Offenbar sucht das CDU-Mitglied Odewald noch schnell nach der corporate identity, damit die Firma Deutschland bei der Bundestagswahl im Herbst keiner feindlichen Übernahme anheimfällt. Auch ein Volk, so Odewald, brauche „etwas, was es bindet“.
Spiritus rector Schalk weiß, wovon sein Kollege da spricht. 1984 wirkte er in der New Yorker Filiale der Werbeagentur BBDO unter anderem an Reagans Wiederwahl- Kampagne „Sei stolz“ mit: Landschaftsidylle, glückliche Paare, die Nationalflagge. Ein Erfolgskonzept, dessen sich hierzulande auch die CDU mit ihrem Wiedervereinigungs-Melodram zur Europawahl bediente.
Auffallend ähnlich präsentiert sich der nationalselige „Das Land sind wir“-Spot des „Wir für Deutschland“-Vereins, derzeit bei den Kommerzsendern RTL, Sat.1 und Pro 7 zu sehen. Die Werbebranche „packte angesichts des peinlichen Breis aus Neuschwanstein, blauem Himmel und teutonischem Schlagergut das kalte Grausen“, kommentierte das Marketing-Blatt Horizont und folgerte: „Wenn das flache Machwerk jetzt zwischen Margarine und Röstkaffee der Bevölkerung ins Haus kommt, droht Ärgeres. Dann könnten einige in diesem Lande, die von Toleranz und Demokratie rein gar nichts halten, Futter bekommen.“ Auch das nur ein „Stimmungs- und Kommunikationsproblem“, wie Schalk die deutsche Malaise beschreibt?
Nach seiner Rückkehr aus den USA will Schalk 1990 die Euphorie der Wiedervereinigung noch erlebt haben. Aber dann seien „die Menschen im Westen plötzlich gleichgültig geworden“. Gegen die sich breitmachende „Ego-Gesellschaft“ will er nun energisch angehen. Herausgekommen sind Plakat-Sprüche wie „Im Urlaub fahre ich gern ins Ausland. Aber nach drei Wochen freue ich mich, wieder zu Hause zu sein“ (Markus Kirchhoff, Schreiner).
Das sind „Statements, die mich anätzen“, meint dazu Michel Friedman, CDU-Politiker und Präsidiumsmitglied des Zentralrates der Juden. Er hält die Kampagne denn auch für „völlig überflüssig“, weil „der Nationenbegriff keine besondere Fürsorge braucht“. Daß man den Begriff nicht den Rechten überlassen dürfe, sei indes „kein Argument“. Tatsächlich scheint die Kampagne mit ihrer „Das Land sind wir“- Stoßrichtung geeignet, insbesondere rechtsextreme Gruppen gesinnungsmäßig zu stärken.
Gleichwohl sind auch etliche SPD-Parteirechte auf die konservative Wahllok aufgesprungen. Den allgemeinen Wohlstand preist Chemie-Gewerkschaftsführer Rappe: „Ost- und Westdeutschland haben den Weg zueinander gefunden. Jetzt gehen sie in Richtung auf ein soziales Europa.“ Ob diese Marschrichtung stimmt, bezweifelt SPD-Vorstandssprecherin Ursula Horzetzky: „Dieser nationalkonservative Zungenschlag paßt uns gar nicht.“ Jene „Optimismus-Kampagne ohne Bodenhaftung“ schwimme „intensiv in CDU-Nähe“.
In der Tat bevölkert nicht das Volk den Verein, sondern „Eliten“ wie Ex-Bundesbank-Präsident Helmut Schlesinger, Quelle-Vorstand Dr. Klaus Mangold, Zeitungsverleger-Präsident Wilhelm Sandmann, August Oetker, ADAC-Generalsyndicus Dr. Wolf Wegener sowie Showstars von „Bundes-Berti“ bis Thomas Gottschalk. Geworben wurden die Teilnehmer zum Teil offenbar mit rüden Methoden: Textilgewerkschaftschef Willi Arens erfuhr von seiner Mitgliedschaft erst aus der Zeitung und schrieb an den Vereinsvorstand: „Ich fühle mich mißbraucht!“
Was dem Verein nach der erfolgreichen Promirekrutierung jetzt noch fehlt, ist das Volk. Bisher lief die Kampagne ausgerechnet im optimismusbedürftigen Osten kaum an. Während die Wessis auch bei der Umsonst-PR lässig zugriffen (von der Springer-Presse über die SZ bis zu Funkspots in Radio Bremen), blieben die Ossis wieder außen vor. Von einer Zeitung in Chemnitz und dem TV- Supplement „Prisma“ abgesehen, gab es „drüben“ noch keine Nachfrage. Auch „Testimonials“ (Bekenntnis-Sprüche) von Ossis gibt es erst ab August. „Es gab aus Zeit- und Geldgründen noch keine Fotoaktion“ (Schalk).
Mehr Mühe machte sich der Verein indessen beim Innenministerium. In einer Nacht-und-Nebelaktion sollte ein gerade gestrichener Einkommenssteuer-Passus wieder ins Gesetz, der „die Förderung des Zusammenwachsens beider deutscher Teile“ als gemeinnützig und so für spendenfähig erklärt. Die SPD stoppte das Vorhaben vorerst. Anfang Juli steht es erneut zur Debatte.
Dabei gehe es dem Verein gar nicht um eine Parteienspenden- Waschanlage. Nur „eine halbe Million“ habe man bisher gebraucht – bezahlt „von Privatleuten ohne Spendenquittung“. Die Schaltungen in den Medien seien ja sowieso kostenlos. Anpacker Schalk („Wir tun mal was“) setzt weiterhin auf Gefühlsbäder in der Menge. Am 3. Oktober will der Verein vor dem Brandenburger Tor mit einer großen Volksfete inklusive Autocorso und Trachtenumzug rechtzeitig auf die Bundestagswahl einstimmen – und dann alle Jahre wieder. Schalk: „In der Gruppe fällt es den Deutschen schon leichter zu zeigen, daß sie Deutsche sind.“
Ob der mündige Werbe-Verbraucher bei dem ganzen Rummel mitspielt, hält Kreativ-Manager Gerd Neumann von der Frankfurter Werbeagentur Publicis-FCB für fraglich: „Wenn man sein politisches Süppchen mittels sozialer Probleme kochen will, wird man sofort durchschaut und damit unglaubwürdig.“ Statt „rechtslastige Demagogie“ zu verbreiten, sei es nötig, die Leute für Dinge fair zu interessieren. Aber „für ein krankes Produkt kann die Agentur nix“. Dieter Deul
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