qualität im journalismus: Stephan Ruß-Mohl sorgt sich um mediale Selbstkritik
Die Macht der PR-Maschinen
Es ist immer wieder schön, ein Rudel von Sozialwissenschaftlern zu beobachten, das sich verzweifelt über eine technische Apparatur beugt – so wie am Samstag im Bremer Gewerkschaftshaus. Auf Einladung der Verdi-Fachgruppe Journalismus und der Landeszentrale für politische Bildung hielt der Kommunikationswissenschaftler Stephan Ruß-Mohl (Foto), der derzeit in Lugano lehrt, einen Vortrag über „Qualität im Journalismus“. Doch den Beamer, mit dem Ruß-Mohl seine Charts an die Wand hatte werfen wollen, konnte keiner in Gang bringen. Also bat der Referent das Auditorium kurzerhand, sich im Halbkreis um den Laptop zu versammeln.
Die medialen Qualitätsprobleme, die Ruß-Mohl skizzierte, ließen sich nicht so leicht wegimprovisieren: Trends zur Oberflächlichkeit und zur Entertainisierung des Journalismus, Reduzierung aufs Lokale und Wegrationalisieren von Korrespondenten, Tabuisierung von Themen sowie ein Übermaß an Berichterstattung – wie etwa im „Fall Lewinsky“.
Nur 20 Prozent „der Publika“ hielten „die Medien“ noch für glaubwürdig, sagte Ruß-Mohl. Andererseits riefen viele Konsumenten die Qualität auch nicht ab: Sorgfältig recherchierte Artikel fänden wesentlich weniger Leser als ein erfundener Klatschreport über das britische Königshaus. Es komme zunehmend darauf an, wie ein Medienprodukt verpackt werde, nicht mehr, wie es recherchiert worden sei, sagte ein Journalist in der Diskussion: „Die Chancen der PR-Maschinen, Medieninhalte zu bestimmen, sind rapide gewachsen.“
Ruß-Mohl nannte Gründe, warum es um das journalistische „Qualitätsmanagement“ schlecht bestellt sei: darunter Zeitdruck, Personalknappheit und mangelhaftes Markenbewusstsein. Chefredakteure seien zwar oft gute Schreiber, verfügten aber über keine Managementkompetenzen: „Das lernt man in keinem Volontariat.“ Dazu komme die„grundlegende Neuerungsresistenz“ von Redaktionen: „Man verbessert weltweit alles – nur nicht die eigenen Arbeitsbedingungen.“
Die Forderung des Wissenschaftlers lautet „i-Faktor“, wobei das „i“ für „Infrastruktur“ steht. Das Netzwerk von Institutionen, die sich um Kritik, Selbstkritik und Transparenz kümmern, müsse gestärkt werden: Aus- und Fortbildungsstätten, Ombudsleute, kritische Leserinitiativen und Medienforschung garantierten eine Zunahme der Qualität. Allerdings gebe es, da nahm Ruß-Mohl – selbst Absolvent der Deutschen Journalistenschule – kein Blatt vor den Mund, auch Ausbildungsstätten, „die von Tuten und Blasen“ keine Ahnung hätten: „Es gibt viele Professoren der Kommunikationswissenschaft, die noch nie einen Zweispalter geschrieben haben.“ jox
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