Attentat auf Freimaurer in Istanbul

Bei einem Selbstmordanschlag werden zwei Menschen getötet und fünf weitere verletzt. Die Täter, vermutlich Trittbrettfahrer von al-Qaida, riefen religiöse und politische Parolen. Islamisten sehen in den Logenbrüdern Freunde Israels und der USA

AUS ISTANBULJÜRGEN GOTTSCHLICH

Gut drei Monate nach den verheerenden Attentaten auf zwei Synagogen, eine Bank und das britische Konsulat hat Dienstagnacht in Istanbul erneut ein islamistischer Anschlag stattgefunden. Gegen 22.30 Uhr drangen zwei Männer in das Gebäude der Freimaurerloge im Stadtteil Kartal ein, schossen zunächst wild um sich und zündeten dann zwei Bomben, die sie jeweils am Körper trugen. Dabei tötete einer der Attentäter sich selbst und einen Kellner, der andere verlor bei der Detonation einen Arm und erlitt schwere Brandverletzungen. Fünf weitere Personen wurden verletzt, zwei davon schwer.

Die Loge ist der Hauptsitz der Istanbuler Freimaurer auf der asiatischen Seite der Stadt, der eigentliche Stammsitz ist in Beyoglu, im europäischen Zentrum Istanbuls. Die Angreifer identifizierten sich während ihres Angriffs selbst durch laute Allah-u-Akbar Rufe als Islamisten. Der überlebende Attentäter schrie noch auf der Krankenbahre „Nieder mit den israelischen Freimaurern“. Durch den Einsatz von Wachleuten und Kellnern wurden die Attentäter daran gehindert, bis in den Saal vorzudringen, wo Dienstagabend eine Versammlung von rund 50 Mitgliedern der Loge stattfand. Nach Angaben der Polizei zündeten die Attentäter relativ amateurhaft gebaute Rohrbomben.

Einer der Attentäter hatte einen vermutlich gefälschten Ausweis auf den Namen Abdullah Islam bei sich. Abdullah Islam ist der Name des Vorsitzenden des Hilfsvereins afghanischer Türken in Istanbul. Im Nachrichtensender NTV hieß es gestern, der überlebende Attentäter sei Afghane. Der Mann lebt aber wohl schon länger in der Türkei, jedenfalls rief er seine Parolen auf Türkisch. Aufgrund der relativ dilettantischen Art der Durchführung des Attentats geht die Polizei davon aus, dass es sich nicht um ausgebildete Terroristen, sondern eher um Trittbrettfahrer der al-Quaida handelt.

Die Freimaurer, zu denen in Istanbul rund 14.000 Männer gehören, sind in islamistischen Kreisen als Anhänger Israels und der USA verhasst. Auch türkischen nationalistischen Ultras gelten sie als Speerspitze der imperialistischen Weltverschwörung. In der Gründergeneration der Republik rund um Mustafa Kemal Atatürk gab es viele Freimaurer. Die Loge wurde dann wie alle islamischen Orden auch in den 30er-Jahren verboten und erst in den 60er-Jahren wieder zugelassen.