pride in hamburg: „Lücken im Schutz vor Diskriminierung“
Pride Week:Vom 24. Juli bis zum 8. August 2021 feiert Hamburg den Christopher Street Day (CSD). Heute:
Podiumsdiskussion: „Queer? Na sicher! Hamburg braucht ein Antidiskriminierungsgesetz!“: 19 Uhr, Pride House, Rostocker Straße 7
Interview Pascal Luh
taz: Frau Ensslen, wurden Sie schon selbst im Alltag diskriminiert?
Carola Ensslen: Ich selber kann mich jetzt nicht wirklich an ein akutes Ereignis erinnern, aber das liegt natürlich auch daran, dass ich überhaupt nicht zu der Zielgruppe von Diskriminierungen gehöre. Umso mehr liegt es mir am Herzen, mich genau dagegen einzusetzen.
Es gibt schon ein bundesweites Gleichstellungsgesetz. Wieso fordern Sie trotzdem ein Antidiskriminierungsgesetz für Hamburg?
Es gibt nur sehr eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten bei Diskriminierungen durch Landesbehörden. Wir finden auch, dass es Lücken im Diskriminierungsschutz gibt. Es gibt Personenkreise, die nicht erfasst sind.
Welche Gruppen sind das?
Gewichtsdiskriminierung etwa ist nicht erfasst. Genauso auch Menschen mit wenig Geld, die aufgrund des sozialen Status diskriminiert werden. Das ist genau die Zielrichtung eines Antidiskriminierungsgesetzes auf Landesebene – und es soll natürlich auch Diskriminierungen durch die Landesbehörden erfassen.
Wie fallen die aus?
Das kann die Polizei sein, zum Beispiel durch Racial Profiling. Das kann in Schulen sein, wo Diskriminierungen durch Lehrkräfte, beispielsweise gegenüber queeren Schüler:innen vorkommen oder gegenüber solchen mit Migrationshintergrund.
Hoffen Sie noch auf das Gesetz, obwohl Rot-Grün Ihren Antrag abgelehnt hat?
Das ist natürlich ein zäher Prozess und ich prognostiziere, dass er noch Jahre dauern wird. Auch in Berlin hat es unendlich lange gedauert bis es zu einem Gesetz kam. Deswegen haben wir den Berliner Abgeordneten Carsten Schatz aus Berlin eingeladen.
Carola Ensslen 59, Fachsprecherin für Flucht und Migration sowie für Queer und Verfassungspolitik der Fraktion der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Worüber wird er sprechen?
Den Prozess und die Auswirkungen des Gesetzes. Es gibt mittlerweile schon erste Erfahrungen, dass durch das Gesetz die Schwelle, sich im Falle einer Diskriminierung zu melden, herabgesetzt wird. Das bezeichne ich schon durchaus als einen ersten Erfolg.
Wo ist Diskriminierung in Hamburg besonders verbreitet?
Ich sehe Diskriminierungen von LSBTI als besonders akut an. Außerdem gehören Sinti und Roma, weil sie per se aus sicheren Herkunftsländern wie Kosovo oder Montenegro stammen, zu den Menschen, die relativ leichtfertig abgeschoben werden. Dabei wird ihr Schicksal nicht beachtetet. Und das sehe ich als eine institutionelle Form der Diskriminierung.
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