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Archiv-Artikel

pressschlag SC Intellektuale versus Karnevalsverein

Am Samstag spielten mit Mainz 05 und dem SC Freiburg die zwei Bundesligavereine mit dem derzeit höchsten Kultclubpotenzial gegeneinander

Noch wissen sie zu wenig über den FSV Mainz 05, all jene Bildungsbürgerfans, die zwar zugeben, sich für Fußball zu interessieren, Profifußball aber eigentlich hassen – wegen der Kommerzialisierung und überhaupt, wegen des ganzen Geldes, das die Ligen regiert. Aber weil der Fußball in der Bundesliga dann doch ein bisschen etwas anderes ist als das Gekicke von ehrgeizigen, aber mäßig talentierten Balltretern in der Kreisklasse, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich doch mit der Bayern-Dortmund-Schalke-Bundesliga zu befassen.

Auf der ewigen Suche nach dem linken Fußball schenken sie ihre Zuneigung Vereinen, die am ehesten in ihr Weltbild zwischen fair gehandeltem Kaffee, Drei-Liter-Auto und Globalisierungskritik passen. Am glücklichsten sind sie, wenn der FC St. Pauli in der Bundesliga spielt. Der ist für sie links und gut, egal wie schlecht und von wem er geführt wird.

Wenn die Hamburger nicht in der ersten Liga spielen, was ja meist der Fall ist, begeistern sich die so genannten kritischen Fans für den SC Freiburg. Der hat für Naturstrom Werbung gemacht, hat einen Lehrer als Trainer, pflegt das Kurzpassspiel, das von vielen als links angesehen wird, und ist nicht reich. Beste Voraussetzungen also, um die Herzen der Fußballgutmenschen zu erobern. Sogar ein Literaturnobelpreisträger, der letzte große Zeigefingerdinosaurier der Nation, hat sich schon mit einem Schal des SC ablichten lassen. Der SC Intellektuale Freiburg schien als finanzieller Underdog der Liga auf Platz eins der Kultclubtabelle abonniert zu sein. Bis der FSV Mainz 05 in die Liga stürmte.

Nicht wenige der politisch korrekten Freiburganhänger fragen sich seitdem, ob nicht doch der selbst ernannte Karnevalsverein viel kultiger ist als der mittlerweile etablierte SC. Noch aber wollen sie nicht wechseln. Denn so recht können sie nicht einschätzen, worauf sie sich einlassen würden bei einem Verhältnis mit dem FSV. Ja, der Trainer hat studiert, Sport, ist gewissermaßen auch Lehrer. Auch finanziell ist der Club nicht auf Rosen gebettet, kann nicht mitspielen im Kommerzspiel der Großclubs. Auch das spricht für die Mainzer. Aber nimmt der Trainer nicht ein wenig zu oft das Wort „geil“ in den Mund? Ist er ein Möchtegernprolet, der sich mit den ungebildeten Massen gemein machen will? Und besitzt der Manager nicht ein Autohaus und ist damit verantwortlich für die globale Erwärmung?

So gut wie gar nichts weiß man bis jetzt über die Fans. Sind die rechts oder eher links – oder interessieren sie sich einfach nur für Fußball? Das wäre dann doch zu wenig! Dann lieber Freiburg. Am einfachsten wäre es sowieso, wenn St. Pauli wieder aufsteigen würde. ANDREAS RÜTTENAUER