press-schlag : 1899 ist nur ein blöder Witz, die TSG aber macht richtig ernst
Man kann genervt sein von diesem Strebertum, Hoffenheim ist komplett unbescheiden
Sich über Hoffenheim lustig zu machen, ist vergleichbar mit der Anstrengung, die es Gerd Müller gekostet hat, aus der Bierdeckeldrehung Tore zu schießen. Wusch, erledigt. Man kann Witze reißen über Heimspiele, zu denen Sonderzüge fahren, weil die Spiele weit weg in einer richtigen Stadt ausgetragen werden, hahaha! Man kann sich mokieren über den Versuch, durch die Namengebung 1899 statt TSG Tradition vorzugaukeln. Man kann höhnisch bemerken, dass bei echten Auswärtsspielen nur ein Häufchen Fans auftaucht. Und natürlich kann man es ätzend finden, dass Hoffenheim einen Mäzen hat, dem nie das Geld ausgeht. Aber richtig unterhaltend ist das auf Dauer nicht.
Man kann auch genervt sein vom Strebertum dieses Aufsteigers. Ist nach zwei Spieltagen der einzige Bundesligist mit zwei gegentorfreien Siegen. Ist Spitze, während die sogenannten Spitzenteams sich gegenseitig die Punkte abnehmen. Spielt dabei nicht mit teuren Superstars aus aller Welt, sondern lieber mit der jüngsten Bundesligaelf aller Zeiten, nun, wenigstens des Jahrtausends. Aber diese Kleinen haben es alle schon richtig drauf. Und der Trainer platzt wahlweise vor Stolz auf das, was er da gerade bastelt, oder vor Wut, wenn jemand behauptet, das ganze Hoffenheim-Ding sei keine Kunst, nur Kohle. Und eigentlich müsste man Ralf Rangnicks Regungen verstehen.
Das Problem mit Hoffenheim für alle, die nicht Hoffenheim-Fans sind – und wer ist das schon im Jahr 2008? – ist nur leider: Hoffenheim ist komplett unbescheiden. Nicht wie Cottbus, das immer nur nicht absteigen will und dafür hart kämpfen muss. Da Energie dabei kaum jemandem gefährlich wird, darf es am Tabellenende unbehelligt rumstrampeln. Nicht so bescheiden wie es einst der SC Freiburg war, der nicht stören wollte, nur mit den Großen zusammen ein bisschen hübschen Fußball spielen. War korrekt und konsensfähig. Hoffenheim will nicht nett und lieb sein, Hoffenheim will nach oben. Der Zuspruch kommt dann von ganz allein. Funktioniert immer. Erfolg macht Freunde. Schön erspielter Erfolg macht noch mehr Freunde. Attraktives Spiel ist in Hoffenheim Teil des Programms. Hoffenheim wird nicht passieren, was manch anderem Gernegroß widerfuhr: dass eine Saison, die mit der Tabellenführung begann, mit dem Abstieg endet. Auch nicht zu erwarten, dass der Aufsteiger direkt Meister wird. Aber Letzteres ist wahrscheinlicher als Ersteres. So sieht’s aus. Kein Witz. Aber interessant. Kommenden Sonnabend zu besichtigen: in Leverkusen, bei einem konzernsubventionierten Sportverein, der einen so ausgeprägt schönen Spielstil entwickelt hat, dass er den Titel Werkself vom Schmäh- zum Kosenamen umwidmen konnte. Na dann, TSG. KATRIN WEBER-KLÜVER