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Archiv-Artikel

press-schlag Die kritischen Beobachter

Der FC Bayern holt Titel um Titel, die Fangemeinde der Münchner ist anspruchsvoll und ebenso unbeliebt wie ihr Verein

Ja, auch die Bayernfans können feiern. Auch wenn die Bilder von den jubelnden Meisteranhängern viele Bayernhasser in ihrer Meinung bestätigt haben dürfte, dass es sich bei den rot-weißen Anhängern um alles andere handelt als echte Fußballfans. Literweise Haargel wurde am Samstag in feinen Cabrios über die Leopoldstraße gekarrt. Literweise Prosecco wurde verschlungen und verschüttet. Fangesänge waren allerdings nur wenige zu hören. Wer jenes Hohelied, in dem der FC Bayern als „Stern des Südens“ besungen wird, auswendig kann, gilt für den besseren Bayernfan als Südkurvenprolet und wird auf der Leopoldstraße allenfalls geduldet.

Nur in der Südkürve des Olympiastadions versammeln sich Fans, die in einer Art mit dem FC Bayern verbunden sind, die bei den Anhängern anderer Clubs, vornehmlich der so genannten Kultclubs, als selbstverständlich gilt. Versäumt einer dieser Kuttenbayern einmal eine Partie, dann fragt er seine Spezis hinterher: „Und, wie hamma g’spuit?“. Versäumt ein Leopoldstraßenfan ein Spiel, fragt er: „Und, wie haben sie gespielt?“ Die einen fühlen sich als Mitglied der Bayernfamilie, die anderen als kritische Beobachter.

Früher gab es die Lodenmantelfraktion, heute sind es die Leopoldstraßenfans, die das Bild prägen, das man sich anderswo vom typischen Bayernanhänger macht. Die Stadtpatrizier, die vor jedem Spiel in die Traditionsgaststätten pilgern und ihre Weißwürste derart kunstfertig abfieseln, dass die abgezogene Haut ein Rautenmuster aufweist, sind am Aussterben. Jetzt geben die jüngeren Möchtegernschickis den Ton an. Und der ist zumeist schrill. Denn es wird viel gepfiffen von den Fans mit den teuren Karten. Sie haben auch in dieser Saison viel auszusetzen gehabt am FC Bayern. Wenn sie jetzt jubelnd die Leopoldstraße auf- und abfahren, dann freuen sie sich nicht etwa, weil sie stolz auf „ihren“ Club sind, sondern weil es einfach Zeit geworden ist, dass Bayern endlich einmal wieder Meister geworden ist. Es gibt in Deutschland, so denken die Anhänger, sowieso keinen anderen Verein, der die Meisterschaft verdient hätte.

Schalke und Dortmund werden schon deshalb nicht ernst genommen, weil da nicht sauber gewirtschaftet wird. Bremen wird zwar respektiert, aber über die europäischen Misserfolge wird gelacht. Die Bayern machen es einfach besser. Auch im internationalen Vergleich gibt es kaum einen Verein, der so gut dasteht wie der FC Bayern. Vor diesem Hintergrund erwartet der Haupttribünenbayer einfach, dass kein Fehlpass geschlagen und eine „normale“ Bundesligamannschaft haushoch abgewatscht wird.

Der FC Bayern hat gelernt, mit diesen Fans umzugehen. Der Club arbeitet weiterhin seriös, holt regelmäßig Trophäen und verzichtet generös auf den Titel „Kultclub“. ANDREAS RÜTTENAUER