Olympischer Gigantismus: Die zerstörerische Kraft von Olympia
Entgegen aller Versprechungen soll für die Spiele in Brisbane nun doch eine neue Arena gebaut werden. Proteste dagegen formieren sich bereits.
E s wird wieder geklotzt für Olympia. Dabei hatte sich Thomas Bach, der scheidende Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, vor einer Woche noch kräftig dafür auf die Schulter geklopft, dass er mit den Spielen von Paris im vergangenen Jahr ein neues olympisches Zeitalter eingeläutet habe.
Da gab es keine bombastischen Neubauten, jede Menge temporäre Tribünen und viele bewährte Arenen, die mit den fünf Ringen geschmückt worden waren. In Los Angeles 2028 soll es nicht viel anders sein. Genau eine Woche nach dem IOC-Kongress von Griechenland wurden nun die Pläne der Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2032 im australischen Brisbane vorgestellt.
Für umgerechnet über 2 Milliarden Euro soll ein riesiges Stadion für die Leichtathletikwettbewerbe gebaut werden. Nicht weit davon entfernt soll ein gigantisches Schwimmstadion entstehen. „Wir sind nicht Paris, wir sind nicht LA. Das hier wird besser sein und wir machen es auf Queensland-Art“, meinte David Crisafulli, der Premier des australischen Bundesstaats Queensland, dazu. Und so ist eigentlich nichts mehr übrig von der Idee, mit der sich Brisbane als funktionierende Sportstadt für die Spiele beworben hatte.
Nichts übrig ist auch vom Wahlversprechen Crisafullis, kein neues Stadion errichten zu lassen. Das im Ausrichtervertrag mit dem IOC festgeschriebene Versprechen, für Sportstätten keine größeren Eingriffe in die Natur vorzunehmen, war ebenfalls nichts wert. Denn das Stadion soll im Victoria Park errichtet werden, der einzigen größeren Grünanlage der 2,3 Millionen Einwohner zählenden Stadt im Nordosten Australiens.
Gebrochene Versprechen
Das IOC hatte sich 2014 neue Regeln verordnet, die Agenda 2020, nach der sich Olympische Spiele einer Stadt anzupassen haben, sodass sich die Stadt nicht völlig verändern muss für das Megaevent. In Brisbane scheint genau das zu passieren. Ohne Rücksicht auf alles, was versprochen war, wird nun eine Supersportarena für 63.000 Fans aus dem Boden gestampft.
Dies geschieht auch ohne Rücksicht auf die Anliegen der First Nations, in deren Sprache der Victoria Park Barrambin heißt. Aktivisten, die gegen den Stadionneubau mobilisieren, machen darauf aufmerksam, dass Barrambin, zu Deutsch „windiger Ort“, für die First Nations eine wichtige Kultstätte war und ist. Bevor die Kolonialherren aus Europa gekommen sind, war dort ein Treffpunkt für indigene Gruppen, die durch die Region gezogen sind. Die Aktivisten erinnern auch an Massaker, die von Siedlern aus Europa an dieser Stelle an Indigenen verübt worden sind.
Wieder einmal also zeigt sich die zerstörerische Kraft von Olympia. Im Drang, im erlesenen Kreis der Ausrichterstädte nur ja nicht abzustinken, fallen beinahe alle Grenzen. Auch die Organisatoren der viel gerühmten Spiele von Paris waren gnadenlos, als es um die Vertreibung von Menschen aus den Gebäuden ging, die dem olympischen Dorf in Saint Denis weichen mussten. Derartige Geschichten von der rücksichtslosen Implementierung Olympias in Ausrichterstädten gibt es zuhauf in der Historie der Spiele. Brisbane wird dazu ein neues Kapitel schreiben. Das steht schon fest, bevor der erste Baum im Victoria Park gefällt worden ist.
Und Umweltschützer werden gewiss vergeblich darauf hoffen, das IOC möge doch auf die Einhaltung der Verträge pochen und dafür sorgen, dass der Raubau an der Grünanlage eingestellt wird. Für die Olympier zählt am Ende einzig und allein, dass alles rechtzeitig fertig wird für die perfekte Inszenierung des Sports unter den Ringen. Und die Agenda 2020? Das ist ein gut gemeintes Papier, das man ausdrucken und abheften kann. Dran halten muss man sich wohl nicht.
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