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press-schlagVolle Hütte in der Zweitklassigkeit

Der Klubfußball der Frauen stellt neue Rekorde auf und doch tritt er sportlich auf der Stelle

Wer sich ein Bild über die Lage des deutschen Klubfußballs der Frauen machen möchte, ist diese Woche einmal mehr in eine große Verwirrung gestürzt worden. Es sind wieder zwei Puzzleteile hinzugekommen, die so gar nicht zusammenpassen.

Zum einen war die Tage das Nordderby im DFB-Pokal zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen am 23. März ein großes Thema. Denn seit über zwei Wochen schon ist das Volksparkstadion mit 57.000 Zuschauern ausverkauft. Rekord! So viele Menschen haben sich im deutschen Frauenklubfußball noch nie auf den Weg ins Stadion gemacht! Ein Blick auf die üblichen Verhältnisse vor Ort macht deutlich: Diese Partie entführt insbesondere die Gastgeberinnen in einen anderen Kosmos. Bislang kickten die Fußballerinnen des HSV bei ihren Zweitligaspielen im Schnitt vor 403 Zuschauerinnen und Zuschauern. Vor vier Jahren hätten noch die wenigsten die Phantasie aufgebracht, dass sich solche Potenziale in Deutschland heben lassen.

Zum anderen brachten Mitte der Woche die beiden Eliteklubs des deutschen Frauenfußballs wieder einmal das Thema Stagnation auf die Tagesordnung. Schon nach den Viertelfinalhinspielen der Champions League ist das Scheitern absehbar. Der VfL Wolfsburg wurde erwartungsgemäß vor eigenem Publikum von Europas Bestem, dem FC Barcelona, vorgeführt (1:4), der FC Bayern erspielte sich gegen Olympique Lyon zumindest Chancen, hatte aber vor allem wegen seiner eigenen Harmlosigkeit das Nachsehen. Dass vergangene Saison im Viertelfinale der Königsklasse deutsche Klubs komplett fehlten, ist kein wirklicher Trost. Letztmals gewann mit dem 1. FFC Frankfurt vor zehn Jahren ein deutscher Klub die Champions League.

Am ehesten wäre dem FC Bayern zuzutrauen, die Lücke zur europäischen Spitze zu schließen. Die Münchner haben nicht nur das Spitzenpersonal der nationalen Konkurrenz in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgeworben, sondern sich auch international mit Bedacht verstärkt. Doch auf dem prosperierenden Markt des Frauenfußballs steigt der Druck, Jahr für Jahr mehr Geld in die Hand zu nehmen. Olympique Lyon profitiert etwa von der US-amerikanischen Investorin und Unternehmerin Michele Kang, die für eine Mehrheitsbeteiligung geschätzte 28 Millionen Euro hinblätterte.

Beim FC Bayern ist derweil eine gewisse Unentschiedenheit festzustellen. Eigentlich will der Verein die Quersubventionierung der Fußballerinnen durch den Männerbereich nicht strukturell verfestigen und drängelt beim DFB darauf, die Einnahmequellen der Ligavereine international konkurrenzfähig zu machen durch mehr Marketing- und TV-Erlöse. Weil der Klub sich aber zugleich scheut, seinen Fußballerinnen zumindest für die Topspiele eine marketingtaugliche Bühne in der großen Arena zu bieten, weil sich das kurzfristig nicht rechnet, verbaut er sich und der Liga selbst Wachtumsmöglichkeiten.

Beim FC Bayern ist eine gewisse Unentschiedenheit festzustellen

So liefert der deutsche Frauenfußball derzeit schräge Bilder. Während der FC Bayern in seinem Miniaturstadion auf dem Campus vor 2.500 Zuschauerinnen ein letztes Mal in dieser Spielzeit Champions-League-Fußball bot, präsentiert der HSV seinen zweitklassigen Fußball nun vor 57.000 Menschen. Den potenziellen Fans sollten nicht nur Bekenntnisse des guten Willens ermöglicht werden, sondern auch Bekenntnisse zu richtig gutem Fußball.Johannes Kopp

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