press-schlag: Unterirdisch überflüssig
Bundesliga? Zum Gähnen! Die wirklich interessanten Geschichten werden in dieser Saison in der Zweiten Liga erzählt.
D ie Fußballstammkneipe ist stickig und voll, die zweite Halbzeit hat schon begonnen. Im Ausweichlokal kann man wenigstens den Bildschirm sehen. Aber ehrlich gesagt: Es ist langweilig. Diese Bundesliga-Saison wird uns nicht vom Barhocker reißen.
Der amtierende Meister Stuttgart schießt gerade mal ein Törchen gegen Aufsteiger Duisburg; gegen schwache Nürnberger gelingt den geschwächten Bremern in einem unterirdischen Spiel ebenso nur ein Treffer. Und dann so ein überflüssiges Spiel wie Bielefeld gegen Hertha! Schön daran ist einzig, dass in der Berliner Kneipe wieder mal alle Gäste für Bielefeld klatschen. Wenn sie überhaupt die Spiele verfolgen. Der Mittagsschlaf des Kneipenhundes, der faul hinterm Tresen liegt, wird von keinen Jubel- oder Empörungsschreien gestört. Es wird stattdessen angeregt geplaudert; nebenan verschleudern zwei Fußballfans (?) ihre Leidenschaft in einer hitzigen Diskussion über die nicht vorhandene Pressefreiheit in China. Und mal ehrlich: Bochum schlägt Hamburg 2:1 - so what? Dortmund gewinnt zu Hause gegen Cottbus - ach was, na und? Und über die Tatsache, dass die Bayern schon wieder deutlich siegen, kann man nur müde lächeln. Oder abwinken. Selbst die 183. Großaufnahme in Zeitlupe von Franck Ribéry bei einem Mehrfach-Übersteiger fordert zum Gähnen heraus. Und beweist, dass man selbst mit dem dicksten Portemonnaie keine Spannung in die Liga hineinkaufen kann.
So döst eine Fußballkneipe an einem schwülen Samstagnachmittag vor sich hin und man fragt sich, warum man nicht an den See oder sonst wohin gefahren ist. Einzig kleine Kuriositäten am Rande scheinen die Runde etwas zu bewegen: zum Beispiel das putzige Eishockey-Freistoßtor aus dem Strafraum des Bielefelders Masmanidis. Die eigenwilligen Fangversuche des Nürnberger Torwarts. Oder die Specksatteltaschen, die Ailton beim Trikottausch an den Hüften zeigt. Und am Ende: steht ein Verein wie Bielefeld auf Tabellenplatz zwei und spielt nächste Woche gegen Duisburg. Na klasse.
Wie attraktiv ist hingegen die Zweite Liga! Hier ertönen klangvolle Namen wie Borussia Mönchengladbach, 1. FC Kaiserslautern und 1860 München. Gegen diese Traditionsvereine kämpfen die drei Charakterclubs St. Pauli, Freiburg und Mainz. Und nicht zu vergessen: die beiden Start-up-Unternehmen Wehen Wiesbaden und Hoffenheim. Im Unterhaus werden in dieser Saison wohl die spannenderen Geschichten erzählt. Das hat auch der Zweite-Liga-Sender DSF erkannt und wirbt mit dem leicht promisken Slogan "Jeder Mann braucht seine Zweite". Doch wo das DSF Recht hat, hat es nun mal Recht. Und zum Glück gibt es auch nächstes Jahr wieder drei Aufsteiger aus der tollen Zweiten in die öde Erste Liga.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands