press-schlag : Schreckenswesen aus dem Streichelzoo
Der Deutsche Fußball-Bund hat einen Namen für sein Maskottchen gefunden. Der Adler heißt Paule
Der Adler heißt nicht Horst. Er wird den Namen Paule tragen. Die Taufe ist vollzogen. Das Maskottchen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat einen Namen. Das Kreativkomitee des Verbandes hatte vier Vorschläge zur Auswahl gestellt. Neben Horst und Paule auch Knipsi und Butzi. Die Leser eines Sportmagazins haben abgestimmt. Endlich.
Nach den Problemen bei der Ticketvergabe und den Scherereien mit der Stiftung Warentest ist wenigstens die Maskottchen-Frage abschließend geklärt. Der WM-Streichelzoo ist bestückt. Goleo und Paule heißen die Viecher. Es sind wahre Untiere aus Plüsch, Wesen, die von ihren Artgenossen, dem Steiff-Bären etwa, verstoßen wurden. Weil keiner sich an sie schmiegen will. Weil sie so ungeschlacht und riesig sind. Weil sie nicht die Herzen der Kinder erweichen, sondern nur den Groll der Erwachsenen evozieren, auch ein gerüttelt Maß Hohn und Spott. Der DFB hat Paule tief aus der Grabbelkiste geholt. Dann hat er den flugunfähigen Greif, der aus dem Pleistozän der Kuscheltiere zu stammen scheint, mit Wachstumshormonen auf WM-Maß gebracht. Paule, so traurig das für das einzige Exemplar seiner Art ist, ist so missraten wie Goleo, der Löwe.
Der Ausgang der Wahl war vorgezeichnet. „Knipsi“ mag zu sehr nach „Klinsi“ geklungen haben. Auch will der fähige Stürmer, der ja gern als Knipser bezeichnet wird, nicht verniedlicht oder verballhornt werden. „Knipsi“ war eine schlechte Idee. Ebenso „Butzi“. Tüdelige Großmütter aus dem alpennahen Raum nennen ihre Enkel so. Der robuste Fußballfan aber will kein Plüschtier, das womöglich Windeln unter den schwarzen Shorts trägt. Wäre die Wahl auf „Horst“ gefallen, hätte womöglich das Bundespräsidialamt interveniert. „Paule“ ist der faule Kompromiss. Gebrandmarkt bleibt der Adler mit dem großen, gelben Schnabelzeug und den brikettartigen Klumpfüßen dennoch. Selbst wenn der DFB nun mit einer Liste von Paules daherkommt, auf der Ballbehandler von Format zu finden sind: Paule Mebus, Weltmeister 1954, Paule Breitner, Weltmeister 1974, Paule Steiner, Weltmeister des Jahres 1990.
Egal was Klinsmann bei dieser Weltmeisterschaft anstellen mag, der Adler wird nicht zur Rechenschaft gezogen. Er bleibt auch nach der WM im Amt. Und er wird weiter dröge dreinschauen, so wie es die Süddeutsche Zeitung in einer Tierstudie beschrieben hat: „Sein Gesichtsausdruck entspricht dem eines Verteidigers, just in dem Moment, da ihm der Ball in die Bauchgrube rauscht.“ Bleibt also nur die vage Hoffnung, dass der Vogel wegen der heraufziehenden Grippe keinen Freigang mehr erhält. MARKUS VÖLKER