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press-schlagOliver Kahn macht bescheidene, aber interessante Vorschläge zur Bayern-Zukunft

Ein Torwart im Geiste von Bertolt Brecht

„Irgendwie ist es ein bisschen anders in diesem Jahr“ sagte Stefan Effenberg. Eines bleibt sich allerdings gleich: Immer wieder ist es schön, die Bayern verlieren zu sehen. Gerade in dieser Saison erfüllen einen die Niederlagen des eher zufälligen Vorjahresmeisters mit großer Genugtuung, wobei allerdings in Zukunft ein gewisses Maß gehalten werden sollte, denn ein Abgleiten ins Niemandsland zwischen Platz 15 und 9 etwa würde die Freude an den Niederlagen doch etwas schmälern (obgleich der Weg dahin sicher viel Spaß machen wird), und ein totaler Absturz würde nur die niedrigsten Instinkte (die man Bayernfeinden ja nicht ganz zu Unrecht – haha! – zu unterstellen pflegt) zufriedenstellen und ist derzeit wohl doch noch nicht zu erwarten.

Nicht wenig zur Freude an Bayern-Niederlagen tragen die meist völlig konsternierten, irritierten und in ihrem Weltbild erschütterten Äußerungen der Spieler bei. Letzte Woche war es Giovane Elber, der die Meisterschaft schon abhakte und sich nur noch auf die Champions League konzentrieren wollte. Am Samstag war es dann Oliver Kahn, der zwar seinen Teil beigetragen hatte, doch die Mannschaft ist es, die verliert usw. jedenfalls . . . Oliver Kahn also hatte – in aller Bescheidenheit, wie Brecht früher mal – Vorschläge gemacht: „Wir sollten den Spielbetrieb einstellen“, sagte der grimmige Keeper und „wir sollten nicht mehr auflaufen“.

Ein interessanter Vorschlag. Bayern stellt den Spielbetrieb ein, konzentriert sich zum Beispiel auf Wasserball oder die Synchronschwimmbundesliga, Daum kehrt zurück nach Leverkusen, und Schalke wird Meister. So ähnlich stellt man sich’s ja auch vor, wenn die Fantasie mit einem durchgeht. Schön war die Kahnsche Äußerung nicht nur auf der inhaltlichen Brachialebene; am tollsten war, dass Kahn, als er das sagte, nicht einmal wie ein schlechter Verlierer wirkte, sondern seine Worte schienen irgendwie prophetisch, emblematisch, den Niedergang der bayrischen Vorherrschaft vorausahnend.

Man mag’s gar nicht hoffen, aber das Kahnsche Zitat wird man noch oft hören, wie auch – um zu den Sympathieträgern zu kommen – die Sätze, mit denen Bayernkiller Fjörtoft den Sieg der Eintracht kommentierte: 1: „Klasse, gegen einen Klassetorwart wie Oliver Kahn so ein lustiges Tor zu machen.“ 2: „Ich habe soviel Unterstützung wie Breschnew früher.“

Ansonsten wäre es ganz schön, wenn man im Berliner Olympiastadion darüber nachdenken würde, dass es einen irgendwie schlechten Eindruck macht, wenn man es gleich viermal unterlässt, die Torschützen der Gegenmannschaft zu nennen. Das hilft nämlich auch nichts! DETLEF KUHLBRODT

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