piwik no script img

press-schlagEndlich entdeckt: Die wissenschaftlich untermauerte Formel, nach der sich der deutsche Fußball-Meister errechnet

Ein bemerkenswertes TGV

Meister wird bekanntlich die Mannschaft, die den größten Bayern-Faktor hat, die also auch dann gewinnt, wenn sie schlecht spielt. In der Regel sind das natürlich die Bayern selbst – und nach dem Dusel-Sieg gegen 1860 letzte Woche sowie dem weit überschätzten 0:0-Schaulaufen zweier bereits feststehender Champions-League-Viertelfinalisten wurden sie ja auch dieser Tage wieder zum (psycho-)logischen Top-Favoriten hochgejazzt.

Zur Ermittlung des Bayern-Faktors an jedem Spieltag ist jetzt erstmals eine mathematische Formel entwickelt worden: Der Bayern-Faktor (der natürlich in der Maßeinheit „d“ für „Dusel“ gemessen wird) ist die Summe aus LMQ + TCV + HSG. Der Last-Minute-Quotient LMQ misst den zeitlichen Abstand des Siegtors zum Abpfiff – je knapper vor der 90. Minute es fällt, desto höher liegt er. Das komplizierte TGV (Tor-Gegnerchancen-Verhältnis) erfasst das Phänomen „90 Minuten unter Druck und trotzdem gewonnen“: Dabei werden eigene Tore mit einem Pluspunkt, gegnerische Torchancen mit einem Minuspunkt gewertet. Je größer die Differenz, desto bayerischer das TGV. HSG schließlich meint das Hosen-Schiss-Gewicht: Je größer die Erwartung des Gegners, er werde sowieso verlieren und spiele hier gerade gegen den künftigen deutschen Meister, desto schwerer wiegt, was er in den Pampers hat. Nach dieser Formel hat derzeit Hertha BSC ziemlich gute Karten im Meisterschaftsrennen. Ein bemerkenswertes TGV, das den Bremer Radioreporter nach dem 0:2 von einem „skurrilen Zwischenstand“ sprechen ließ, sowie eine einschüchternde Serie von fünf Siegen und einem Remis bei 21:3 Toren unter Falko Götz, die bei den – gegen Hertha eigentlich sieggewohnten – Bremern ein hohes HSG verursachte, machen die Berliner zu den aktuellen Bayern. Und die Prognose, daß sie sich noch in den Meisterschaftskampf einschalten werden, ist nicht sehr gewagt: Nach vier lösbaren Aufgaben (gegen Nürnberg und Rostock, in Gladbach und Wolfsburg) spielt Hertha BSC zum Saisonschluss bei den Bayern, gegen Schalke und in Leverkusen.

Möglich also, dass die Liga sich, wenn der Kirchgang abgeschafft werden sollte, kurzerhand dem (Falko-)Götzendienst zuwendet. Schließlich ist Hertha in einer anderen Liga bereits jetzt Erster – in der Hätte-wäre-wenn-Meisterschaft: Wenn sie gegen die Kellertruppen aus St. Pauli und Cottbus die volle Punktzahl eingefahren hätten, lägen sie jetzt nicht sechs Punkte hinter Leverkusen, sondern vier Punkte davor, auf Platz 1.

OLIVER THOMAS DOMZALSKI

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen