portrait: Saubermann mit Flecken
Es ist gerade mal zwei Jahre her, dass Ignazio Marino sich als Kandidat der Partito Democratico (PD) gegen den scheidenden, von zahlreichen Korruptionsskandalen umwehten Bürgermeister Gianni Alemanno aus dem Berlusconi-Lager durchsetzen konnte. Gewonnen hatte der damalige Hoffnungsträger schon im Vorfeld, in den PD-„Primaries“, die er überraschend gegen Vertreter des PD-Establishments für sich entschied.
Den heute 60-jährigen Transplantationschirurgen umgab die Aura eines Saubermanns, der Italiens Hauptstadt zu einem neuen Aufbruch verhelfen, die verkrusteten Strukturen seiner eigenen Partei aufbrechen und zudem der ebenso unfähigen, von Klientelismus und Korruptionsvorwürfen gekennzeichneten Alemanno-Administration ein Ende setzen kann. Mit spektakulären Aktionen wie der Umwandlung der durch die Kaiserforen zum Kolosseum führenden Via dei Fori Imperiali in eine Fußgängerzone versuchte der Neue zu zeigen, dass wirklich ein neuer Wind wehte. Objektiv stand er jedoch vor einem gigantischen Problem: Roms Stadtkassen waren völlig leer, städtische Unternehmen wie Stadtreinigung und Nahverkehr personell aufgebläht, überschuldet und zugleich in hohem Maß ineffizient.
Marinos größte Schwäche war, dass er kein Konzept zu entwickeln wusste, wie er in dieser Situation den Bürgern im Alltag fühlbare Zeichen der Besserung vermitteln konnte. Bereits 2014 galt er als gescheitert und wurde nur durch den Großskandal „Mafia Capitale“ vorerst gerettet: Roms Staatsanwälte deckten ein Korruptionsnetzwerk mit mafiösen Strukturen auf. Diverse lokale Vertreter auch der PD wurden verhaftet – Marino dagegen stand erneut als Saubermann da.
Am Elend einer Stadtregierung, die keines der Probleme Roms zu lösen wusste, änderte dies nichts; Marinos Popularitätswerte rauschten in den Keller. In den letzten Tagen wurde dann auch noch bekannt, dass er womöglich bei Spesenabrechnungen geschummelt hat. Daraufhin ließ ihn die PD fallen – trotz des Risikos, dass Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung bei Neuwahlen das Rathaus der italienischen Hauptstadt erobern könnte. Michael Braun
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