portrait : Westwärts gewandter Pragmatiker
Der voraussichtliche neue Ministerpräsident Mazedoniens gehört der Generation junger Technokraten an, die nicht mehr mit der Vergangenheit des alten Jugoslawien und des Sozialismus belastet sind. Der am 31. August 1970 in Skopje geborene Nikola Gruevski ist ein smarter Typ, der Weggefährten zufolge von Anfang an wusste, was er wollte: aufsteigen, bekannt werden, Geld machen. Als Student der Wirtschaftswissenschaften galt er als fleißig und konsequent, beteiligte sich kaum am Studentenleben.
Mitte der 90er, kurz nach dem Examen, knüpfte er als Angestellter einer Bank in Skopje Kontakte zu den großen Finanzplätzen der Welt, hospitierte an Banken in Frankfurt, London, Tokio und den USA. 1998 wurde er Präsident der Devisenhändler in Skopje, TV-Finanzexperte, 1998 Minister für Außenhandel und als 29-Jähriger im Dezember 1999 Finanzminister.
Gruevski war einer der wenigen Minister in der Regierung Ljubco Georgievski, die einen marktwirtschaftlichen Kurs verfolgten, die Modernisierung vorantrieben und die Privatisierung der maroden Staatsfirmen einleiteten. Zugleich forderte er die Bevölkerung auf, verstärkt mazedonische Waren zu kaufen. Der Kurs verlangte jedoch auch Opfer von den BürgerInnen, was zur Wahlniederlage der VMRO 2002 führte.
Fortan widmete sich Gruevski der Partei. Offenbar verstand er die Zeichen der Zeit. Mazedonien müsse in Bezug auf die Integration in die EU große Anstrengungen unternehmen, erklärte er wiederholt und zeigte sich innerparteilich als Verteidiger mancher Reform der sozialdemokratischen Regierung. Ihm gelang es, den rechten Parteiflügel unter Georgievski aus der VMRO zu drängen. Georgievski musste eine neue Partei gründen, die bei den Wahlen den Durchbruch nicht schaffte.
Nationalismus in alter Form interessiert Gruevski nicht. Die 100 Jahre alte und während des Kommunismus verbotene „Innermazedonische Revolutionäre Organisation“ in wenigen Jahren derart umzukrempeln und auf einen moderat konservativen Wirtschaftskurs zu bringen, das ist auch in den Augen seiner politischen Gegner eine Leistung. Er hat ein junges Team von Experten um sich geschart, darunter einige, die bei Wahlverlierer Vlado Buckovski studierten.
Gruevski will Mazedonien modernisieren. Sicher wird er dabei auch Partei- und ethnische Grenzen überschreiten. Im Programm verspricht er umfassende Wirtschaftsreformen, eine niedrige Einheitssteuer, Hilfen für Bauern, IT-Förderung. Am Wahlabend beschrieb er seine künftige Politik: „In jedem Fall wird es eine Pro-Europa und Pro-Nato-Politik sein.“ ERICH RATHFELDER
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