portrait : Brasilianische Ballartistin am Polarkreis
Marta, die bei der Fifa-Gala am Montagabend die US-Amerikanerin Kristine Lilly und Renate Lingor vom Frankfurter 1. FFC auf die Plätze verwies, kickt weit oben im Norden. Im nordschwedischen Umeå, nur ein paar Kilometer vom Polarkreis entfernt. Mit Wintertemperaturen, die schon mal unter minus 30 Grad sinken können und bei denen Fußball nur in der Halle möglich ist.
Das ist ein ungewöhnliches Klima für eine Brasilianerin. Ein Sportreporter der Lokalzeitung äußerte zudem noch Zweifel über die Neuerwerbung von Umeå IK vor knapp drei Jahren: „17 Jahre alt, die Kleinste und Dünnste auf dem Platz.“ Bei der Fußball-WM in den USA hatte Marta in der brasilianischen Nationalelf zwar geglänzt. Aber ob die wohl wirklich die Richtige für Umeå sei?
Solche Fragen verstummten ganz schnell. Das 160 cm große Energiebündel bezauberte das Publikum vom ersten Ballkontakt an. Sie stieg nicht nur schnell zu einem Star ihres Vereins auf, sondern hat Frauenfußball in Schweden generell zu mehr Popularität verholfen. Überall, wo Umeå zu einem Spiel antritt, kommen mehr Zuschauer. Für viele Mädchen ist Marta ein Vorbild und der Grund, warum auch sie Fußballschuhe schnüren. Die 1.500 Euro pro Monat, die ihr Verein Anfang 2004 der Brasilianerin für einen Profivertrag bot, waren gut angelegtes Geld.
Dabei war der Anfang verdammt schwer für Marta. Sie fror und heulte sich durch die ersten Winterwochen und machte vor den Medien auch keinen Hehl daraus. „Aber Brasilianer spielen weltweit an noch viel schlimmeren Orten“, tröstete sie sich in einem Interview: „Würde ich zu Hause so viel Geld verdienen wie hier, wäre ich nicht in Umeå.“ Doch bei ihrem Mutterklub in Belo Horizonte war für Profifußballerinnen kein Platz: „Alle Aufmerksamkeit und alle Ressourcen bekommen die Männer.“ Die sind immerhin, in Gestalt von Ronaldo und Ronaldinho, ihre großen Vorbilder.
Nun, drei Jahre später, hat Marta ihren Frieden mit Nordschweden und dem Klima gemacht. Obwohl mittlerweile zum Weltstar aufgestiegen, hat sie vor einigen Wochen finanziell und klimatisch verlockende Angebote aus den USA und aus Südschweden ausgeschlagen und ihren Vertrag mit Umeå um ein weiteres Jahr verlängert. Vielleicht auch, weil sie die Freuden des Winters entdeckt hat. Skifahren ist neben Tennis zu ihrem Hobbys geworden.
Dass sie mit gerade 20 Jahren Weltfußballerin wurde, verwundert ihren Trainer kein bisschen. „Eine Technik wie keine andere, in der Geschwindigkeit den meisten überlegen und glänzend im Abschluss“, schwärmt Andrée Jeglertz über Marta: „Eine wahre Artistin.“
REINHARD WOLFF