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pflicht zur erziehung?Wir sind gerne mal etwas streng

Die Politik von heute funktioniert wie die Informationstechnologie: Wichtig ist die Benutzeroberfläche. Vor allem, wenn dahinter Millionen Mütter und Väter sitzen. Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf hat unlängst erklärt, man müsse Kindern wieder mehr Werte wie Pflichtbewusstsein und Verlässlichkeit vermitteln. Auch Eltern- und Erziehungsverbände haben nun gefordert, Kinder hätten ein „Recht auf Erziehung“, „Menschen brauchen Orientierung“.

Kommentarvon BARBARA DRIBBUSCH

In dieser Debatte wird so getan, als ginge es nur um persönliche Werte, die politisch nichts kosten. In Wirklichkeit berührt diese Diskussion sehr wohl die Zwänge einer Wettbewerbsgesellschaft. Denn wenn Eltern mehr Erziehungsverantwortung übernehmen sollen, dann müssen sie erstens die Zeit und zweitens die Nerven dazu haben. Und daran mangelt es bei manchen allein Erziehenden und bei vielen anderen jobgestressten Vätern und Müttern.

So weit, so harmlos. Perfide wird die Debatte, wenn der Ruf nach mehr Pflichtbewusstsein so daherkommt, als würde man auf diese Weise aufräumen mit der vermeintlichen Weichheit nichtautoritär erziehender Eltern. Damit wird die Erziehungsdebatte der 68er noch mal billig abgewatscht. Denn damals ging es tatsächlich um neue Werte, und diese waren politisch nicht einfach durchsetzbar. Die heutigen Erziehungsappelle aber sind nur noch Zitate des alten Streits. Parasitärer geht es nicht.

Aber Aufregung darum lohnt nicht. Der eigentliche Sinn dieser Debatte ist nämlich durchaus ein integrativer – es ist in Wirklichkeit eine Entlastungsdebatte. Der Trick geht so: Wenn es generell so schlimm aussieht mit der Erziehung der Kinder, dann ist bei uns zu Hause vergleichsweise doch noch alles paletti!, freuen sich jetzt viele Eltern. Mehr Pflichtbewusstsein wünschen sich sowieso alle von ihrem Nachwuchs, und ab und zu ist man gerne mal etwas streng. Über die Wettbewerbsgesellschaft und die Schwierigkeiten, die Zwänge der Eltern und die Bedürfnisse der Kinder unter einen Hut zu bringen, wird jedenfalls geschwiegen. Das ist Politik von heute: Die Benutzeroberfläche muss leicht verständlich sein. Was dahinter steckt, kommt nicht mehr zur Sprache.

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