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petition der wocheWildsau Elsa darf nicht sterben!

Anlass der Petition Wildschwein Elsa stört Nacktbader am Berliner Teufelssee

Das wollen die Initiatoren Dass Elsa in freier Wildbahn weiterleben kann

Das wollen sie nicht Dass störende Tiere erlegt werden

Eine Wildsau mit einer gelben Tüte im Maul, an ihrer Seite zwei Frischlinge. Ein nackter Mann auf ihren Fersen. Von der skurrilen Verfolgungsjagd am FKK-Badestrand des Berliner Teufelssees, die bekanntermaßen gut ausging, las man Anfang August in Zeitungen von Berlin-Johannisthal bis Jakarta. Und kurze Zeit später davon, dass die „Elsa“ genannte Bache erschossen werden solle. Widerstand formierte sich in Form einer Onlinepetition. Es dürfe nicht sein, dass Elsa sterben muss, schreibt Initiatorin Jeanine Pasteleurs. „Die Wildsau vom Teufelssee hat es verdient zu überleben!“ Der Meinung sind mittlerweile über 15.000 Menschen.

Aber gemach, gemach, Elsa droht aktuell gar nicht der Tod. „Es gibt keinen Anlass, dieses Wildschwein jetzt zu erlegen“, sagt Derk Ehlert, der Wildtierexperte der Berliner Senatsverwaltung. Das ist allerdings kein Erfolg der Petition. Die Förs­te­r:innen seien dafür verantwortlich, dass kein Mensch durch Wildschwein, Fuchs oder Marder verletzt wird, so Ehlert weiter. Eine gezielte Jagd finde also nur dann statt, wenn ein Tier eine Gefahr darstelle. Und das tue Elsa eindeutig nicht. Sie jage den Besuchern des Badestrandes höchstens einen Schrecken ein, wenn sie deren Taschen auf der Suche nach Essbarem durchwühlt.

Ist Elsa also ohnehin gerettet? Nicht ganz. Denn nach der Badesaison beginnt die Jagdsaison. Pro Jahr werden in den Berliner Wäldern zwischen 1.000 und 1.500 Wildschweine erjagt. So versuchen die Forstämter den Bestand an Schwarzwild, wie Wildschweine in Fachkreisen heißen, etwas zu regulieren. Ehlert schränkt aber ein: „Wir können nur die Spitzen rausnehmen“, denn in der „Hauptstadt der Wildschweine“ hat Elsa unzählbar viele Artgenossen. Häufig hört man, dass dafür ausgerechnet die Jagd verantwortlich sei. Erschieße man die Leitbache – also das weibliche Schwein, das die Rotte anführt –, pflanzten sich die jüngeren Bachen unkontrolliert fort. Die sogenannte „Leitbachendiskussion“ wird auch in Jägerkreisen geführt. In der Tat hat die Leitbache eine wichtige Stellung im sozialen Gefüge der Tiere. Für das enorme Populationswachstum kann man sie oder besser ihr plötzliches Ableben aber nur schwer verantwortlich machen. Wahrscheinlicher findet Ehlert eine Kombination aus drei Gründen: Erstens sei die klassische Schweinepest in den vergangenen 50 Jahren erfolgreich mit Impfködern bekämpft worden. Zweitens überlebten immer mehr Frischlinge die immer milderen Winter. Drittens biete eine intensive Landwirtschaft ein großes künstliches Futterangebot.

Wie also Elsa vor den Jägern bewahren? Pasteleurs schreibt in ihrer Petition: „Vielleicht findet sich ja ein Wild-Tierpark oder Gnadenhof, der ihr ein weiteres Leben vor schießwütigen Menschen gewährt.“ Ein wildes Tier in einem Gehege unterzubringen sei aber nicht so unproblematisch, sagt Katrin Koch von der Wildtierberatung des Nabu Berlin. Der logistische Aufwand ist das eine. Das andere: Wildschweine sind sehr soziale Tiere. Auch Elsa und die Frischlinge gehören sehr wahrscheinlich einer größeren Rotte an. Brächte man sie in ein Gehege, würde man sie aus ihrem Familienverband reißen. Einfach zu lösen ist das Problem also nicht. Da bleibt wohl nur zu hoffen, dass Elsa sich gut zu verstecken weiß und man sie nächsten Sommer wieder an unbewachten Taschen schnüffeln sieht. Cornelius Stiegemann

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