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petition der wocheDas Blutgefäß öffnen, das vom Umland ins Herz von Berlin führt

Anlass der Petition

Zu viel Verkehr

Das wollen die InitiatorenDie Heidekrautbahn wiederbeleben, die vom Berliner Umland in die Stadt führt.

Das wollen sie nicht Auf dem Weg zur Arbeit im Stau stehen

Heidekraut. Wächst üppig im nördlichen Brandenburg, könnte man meinen. Immerhin gibt es eine historische Bahnlinie von Berlin nach Wandlitz und bis knapp vor die Uckermark, die danach benannt wurde: Heidekrautbahn. In Wirklichkeit handelt es sich um ein volksmündliches Missverständnis. Denn die Schorfheide ist ein riesiger Wald, legendäres Jagdrevier des Politbüros. Ganz ohne Schäfchen und lila blühende Sträucher.

Wie auch immer, die Heidekrautbahn ist ein Politikum im Norden Berlins. Was daran liegt, dass sie nach dem Mauerbau gekappt wurde. Auf dem Weg aus dem Herzen der Großstadt in die Wildnis macht die Regionalbahn nun erst einen gewaltigen Schlenker nach Osten, um sich später wieder in die ursprüngliche Strecke einzufädeln. Leidtragende sind mehrere Gemeinden im sogenannten Berliner Speckgürtel. Ihre einstige Direktverbindung in die Metropole ist futsch.

Dabei wäre es so einfach: Die Trasse nach Berlin-Wilhelmsruh gibt es noch, man müsste sie nur reaktivieren. Der Betreiber der Reststrecke, die private Niederbarnimer Eisenbahn (NEB), wäre sofort dabei. Es müsste nur ein bisschen investiert werden. Für den – er hieße, wenn es ihn denn gäbe – „Regionalbahnhof Wilhelmsruh“ gibt es sogar eine gültige Baugenehmigung. Leider nur bis 2021. Die Zeit drängt also.

Deshalb machen jetzt die Bürgermeister in der Region mobil. Gleich sechs von ihnen haben eine Onlinepetition erstunterzeichnet, die die Landesregierung in Potsdam und den Senat in Berlin auffordert, endlich zu handeln. Versprechen gab es schon genug in den 28 Jahren seit Mauerfall.

„Wir leben hier immer noch wie Nord- und Südkorea nebeneinander“, findet Filippo Smaldino-Stattaus, Bürgermeister der Gemeinde Mühlenbecker Land. Der SPD-Politiker redet nicht so gerne vom Speckgürtel, für ihn ist das immer dichter besiedelte Berliner Umland der „Herzkranz“ und die Heidekrautbahn ein quasi schon viel zu lange verödetes Blutgefäß. Von dessen Öffnung verspricht er sich mehr Lebensqualität.

„In unserer Gemeinde leben 15.000 Menschen, mehr als 50 Prozent davon sind aus Berlin zugezogen“, sagt Smaldino-Stattaus. Die meisten arbeiteten auch weiterhin in der Hauptstadt. Weil aber die öffentlichen Verkehrsverbindungen so schlecht sind, sitzen viel zu viele im Auto. „Wir haben zu den Hauptverkehrszeiten einen wahnsinnigen Transitstau. Das ist ein täglicher Kollaps.“

Der Ball liegt jetzt erst mal bei den Berlinern, finden die Petenten, von der Brandenburger Seite habe es zuletzt positive Signale gegeben. Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) höchstselbst sei vor Kurzem zu Gast im Wandlitzer „Goldenen Löwen“ gewesen und habe bei einer Veranstaltung pro Heidekrautbahn ein offenes Ohr für die BürgerInnen gehabt.

Dumm nur, dass das Wohlergehen einiger Brandenburger Anrainerkommunen nicht so richtig weit oben auf der verkehrspolitischen Prioritätenliste des Berliner Senats steht. Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB ist trotzdem „gedämpft optimistisch“ in Bezug auf das Projekt Heidekrautbahn – ein Projekt, das seine Organisation befürwortet.

„Es zeichnet sich ja, Stichwort kostenloser Nahverkehr, eine allgemeine Trendwende zugunsten des ÖPNV ab. Und hier müsste noch nicht einmal groß gebaut werden.“ Claudius Prößer

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