pampen für damen oder: der sinn des lebens von EUGEN EGNER:
Ein junger Bursche rührte wahllos Haarwasser, Mehl, Halmasteine und was auch immer zusammen. Er tat es Tag für Tag und nannte die so entstandenen Pampen „Bartentferner“ oder „Apparatemedizin“. Unfehlbar schüttete er sich das Zeug zuletzt in den Kragen, „den bildschönen Damen zum Opfer“, wie er zu sagen pflegte.
Als seine Eltern diese ewigen Schweinereien nach ein paar Jahren leid waren, wurde der Junge in die Schmarotzerlehre gegeben. So hatte das wahllose Zusammenrühren ein Ende, und er konnte obendrein nützliche Fertigkeiten erwerben.
Einige Zeit später fragten ihn die Eltern, wie es in der Ausbildung denn sei, was er da so tue und ob er auch etwas fürs Leben lerne. Er besaß die große Freundlichkeit, ausführlich und überraschend offen zu antworten: „Wir stehen den ganzen Tag butterbrotessend und kichernd um einen untersetzten Mann herum, der uns beibringen soll, wie man sich auf Kosten anderer Leute eine goldene Nase verdient, ohne einen Finger krumm zu machen. All dies zu lernen erscheint uns aber entschieden zu anstrengend, lieber treiben wir allerhand Schabernack in den verlassenen Kontorräumen. Aus weiter Ferne hören wir den untersetzten Mann dozieren, doch unsere Aufmerksamkeit richten wir auf die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches. Wir legen kleine und große Cremetuben, deren Verschlüsse wir abgeschraubt haben, auf den Boden und springen mit den Füßen darauf. Es ist lustig anzusehen, wie die Creme die gegenüberliegende Wand erreicht. Danach wird es aber langweilig, und in die entstandene Leere hinein richten wir die bange Frage, ob unser Leben womöglich verpfuscht sei.“
Sein Bericht blieb nicht folgenlos. Der Vater, von Beruf Friseur, riss sich die Pfeife aus dem Mund und sprach: „Das erinnert mich ein wenig an meinen eigenen Berufsalltag, wenn nicht sogar an den heutigen Vormittag. Meine Kollegin aus dem Damensalon und ich betrachteten schwer atmend unser Werk. Als Folge einer gemeinsam durchlebten Ekstase lagen einige Gummipuppenköpfe auf dem Fußboden. Unser Lehrbub trat hinzu und sagte: ‚Ich hätte zu Haus auch gern Gummipuppenköpfe auf dem Fußboden, aber meine Mutter räumt immer alles weg.‘“
Der Vater schaute eindringlich in die Runde, ob ihn Frau und Sohn auch richtig verstanden hatten. „Aber meine Mutter räumt immer alles weg“, wiederholte er vorsichtshalber, wobei er den Stiel seiner Pfeife nacheinander auf die beiden richtete. Mit besorgter Miene sah ihn die Mutter an und sagte: „Du wirkst überdreht, hast dir ja schon wieder lauter Zahlen ins Gesicht geschrieben.“
„Socken stopfen würde ihm jetzt sicher gut tun“, schlug der Sohn vor. Doch der Vater wies den Stapel löchriger Socken, den ihm seine Frau entgegenstreckte, unwirsch zurück. Vielleicht wollte er ein wenig spielen? Ein Bällchen jagen? Nein, er wollte nicht.
„Er will nicht“, stellte die Mutter resigniert fest. Der Vater stand wortlos auf und ging zum Fenster. Dann öffnete er das Fenster und streckte seinen erhitzten Kopf hinaus. Es regnete, sein Mund wurde nass.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen