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off-kinoFilme aus dem Archiv. Neu eingereiht. Frisch gesichtet.

Der Bergfilm gehört zu den wenigen genuin deutschen Filmgenres. Als der Regisseur Arnold Fanck in den 20er-Jahren mit seinem Kameramann Sepp Allgeier und Darstellern wie Luis Trenker und Leni Riefenstahl in die Natur zog, um direkt vor Ort kleine Dramen um große Berge zu drehen, durften seine Filme als wahre Pionierleistungen gelten. Während die Spielhandlungen eine untergeordnete Funktion besaßen, wurden Gebirgslandschaften wie lebendige Wesen charakterisiert: Der Berg war nicht nur schön und erhaben, er konnte sich auch störrisch seiner Besteigung verweigern oder mit dramatischen Wetterumschwüngen und plötzlichen Lawinenabgängen an den Alpinisten grausame Rache nehmen. Vom enervierenden „Schön ist’s in deutschen Landen“-Gehabe späterer Heimatfilme weit entfernt, erzählt der Bergfilm vom Kampf: Mensch gegen Natur. Allerdings besaß das Genre auch seine Abgründe: Da seine Hauptprotagonisten später keine allzu große Distanz zum Naziregime hegten, geriet der Bergfilm ganz allgemein unter Faschismusverdacht. Zudem schienen die Geschichten von heroischen Kämpen, die allen Widerständen zum Trotz zielstrebig ihren Weg zum persönlichen Triumph verfolgen, allzu deutlich dem Führerprinzip zu huldigen – und sei es nur dem Bergführerprinzip. Interessanterweise erzählt einer der bekanntesten Bergfilme jedoch von einer Niederlage: In Luis Trenkers „Der Berg ruft!“ (1937), einer an historischen Tatsachen angelehnten Geschichte um die Erstbesteigung des Matterhorns im Jahr 1865, verkörpert der Südtiroler Regisseur und Alpinstar den Bergführer Jean-Antoine Carrel, der seinen Versuch, die Wand von der italienischen Seite her zu bezwingen, zweihundert Meter unterhalb des Gipfels abbricht, als er erkennen muss, dass eine von Zermatt in der Schweiz ausgegangene Expedition unter Führung des Engländers Edward Whymper das Ziel um kurze Zeit früher erreicht hat.

Wie nicht anders zu erwarten, sind es die fantastischen Naturaufnahmen, die den Film tragen: Bilder von steilen Graten und schwindelerregenden Abgründen, gewaltigen Lawinen, dramatischen Wolkenformationen und überlebensgroßen Figuren im Gegenlicht.

„Der Berg ruft!“, 30. 10.–31. 10. im Filmmuseum Potsdam

*Todschick ist sie, die Welt der immer etwas traurigen Romane der Schriftstellerin Françoise Sagan, die in den 50er-Jahren zum französischen Literatur-Popstar avancierte. So ist es nur konsequent, wenn die Verfilmung ihres Romans „Lieben Sie Brahms?“ durch Anatole Litvak vor allem von glatten und leicht zu durchschauenden Oberflächen kündet, einem Leben zwischen Dior-Kleidern, flotten Sportwagen und angesagten Nachtlokalen. Die Geschichte kreist um die Angst vor dem Alter: Die Innenarchitektin Paula (Ingrid Bergman) ist mittlerweile vierzig Jahre alt, schaut deshalb ein wenig zu oft in den Spiegel und wird von ihrem Geliebten Roger (Yves Montand) vernachlässigt. Auch Roger schaut gern einmal in den Spiegel – allerdings in den Rückspiegel seines Wagens, wo er die hübschen jungen Mädchen betrachtet, die er für kurzlebige Affären aufgabelt, von denen er glaubt, sie würden ihn jung erhalten. Dann gibt es da noch den 25-jährigen Philippe (Anthony Perkins), der noch nicht ganz in der Welt der Erwachsenen angekommen ist, und mit dem Paula wider besseres Wissen eine Affäre anfängt ... Das Filmkunsthaus Babylon zeigt „Lieben Sie Brahms?“ in einer Reihe von Filmen mit Yves Montand, der hier mit den Abgründen hinter seinem Image als viriler Draufgänger spielt. Die jungen Männer würden ja immer nur reden, sagt einmal eine seiner Geliebten, doch bei ihm, da wisse man doch sofort, was er wolle. Nur er selbst weiß es lange Zeit nicht ...

„Lieben Sie Brahms?“ (OF) 31. 10., Filmkunsthaus Babylon

*Ganz anders präsentiert sich Montand in Jean-Pierre Melvilles düsterem Krimi „Vier im roten Kreis“, wo er einen alkoholsüchtigen Ex-Polizeischarfschützen verkörpert, der in einem – letztlich scheiternden – großen Coup seine Selbstachtung wiedererlangt. Trotzdem: ein pessimistischer und fatalistischer Film um die Austauschbarkeit von Polizisten und Verbrechern und um Freundschaften und Loyalität in einer kalten graublauen Welt.

„Vier im roten Kreis“, 30. 10. im Filmkunsthaus Babylon

LARS PENNING

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