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normalzeitHELMUT HÖGE über das Rätsel Massenmedien

Ein ganz alltäglicher Fall von Namedropping

Am 18.September war mal wieder großer Wen(c)k-Tag: Die Berliner Zeitung bat überraschend die Bevölkerung, im Auftrag des Chefs der 6. Mordkommission, Zehnpfennig, um kostenlose Mitarbeit bei der Fahndung nach den Mördern des Weddinger Rentners Günter Wenk, die mit dessen Ford Scorpio flüchteten. Das Fahrzeug wurde in Königs Wusterhausen gefunden: „Wichtig sind jetzt Informationen über den Fahrer.“ Logisch!

Noch überraschender war, dass die FAZ am selben Tag der „Armee Wencks“ gedachte, die als letztes Aufgebot Berlin vor den anstürmenden Bolschewiki retten sollte. Der Nekrolog auf General Walther Wenck – den die CDU später zum Generalinspekteur der Bundeswehr machen wollte, der sich jedoch bereits als „Mann der Wirtschaft“ etabliert hatte – bekam von einem unreifen Reservisten die Überschrift: „Ade, mein großer Panzeroffizier“. Seine Truppen konzentrierte „der Mann, an dessen Namen sich Wahn wie Hoffnung ein letztes Mal klammerten“, auf der Schönhauser Allee in Höhe der Schultheiss-Brauerei, wo die Sowjets sie dann einkesselten und vernichteten. Etlichen deutschen Soldaten gelang es, in die umliegenden Häuser zu flüchten, wo die in den Kellern das Ende der Kämpfe abwartenden Frauen sie mit Zivilkleidung ausstatteten. „Die Schönhauser war anschließend die reinste Transvestiten-Promenade“, so eine Zeitzeugin. Drei Tage später wurde in Berlin die „Moskauer Zeit“ eingeführt.

Aus der Schultheiss-Festung wurde nach der erneuten Wende eine fein renovierte „Kulturbrauerei“. Der Moskauer Rotarmist Wladimir Kaminer schrieb unterdessen ein Buch über die „Schönhauser Allee“, das jetzt in der FR – statt in der FAZ – vorabgedruckt wird. Letztere war dem Autor zu russenfeindlich geworden – die komische Ehrung anlässlich des Hundertsten von Walther Wenck spricht dafür.

Um den nicht mit diesem verwandten Joachim Wenck geht es dagegen in der Apotheken-Rundschau. Anlass ist der bevorstehende nasskalte Herbst – und mit ihm die Zunahme von Erkältungskrankheiten – besonders bei Balkonrauchern, wofür besagter Jo Wenck bereits in den frühen Fünfzigerjahren eine famose Medizin entwickelte: „Warme Wickel“ mit hitzigem „Franzbranntwein“. Damit gehört der ehemalige Anhänger der Kneippkur- bzw. Volksmedizin-Bewegung und Nichtraucher „seit Kriegsende“ zu den „Hausapothekern“, die bei der Wahl ihrer Mittel gerne auf die heilsamen Ressourcen im Umfeld des Kranken zurückgreifen.

In den armen Nachkriegsjahren erlebte diese Heilkunst eine Renaissance. Sie wurde dann jedoch – im Zuge des Wirtschaftswunders – von dem Wunsch nach immer kostspieligeren und exotischeren Mitteln bzw. Therapien abgelöst. So wie umgekehrt auch chinesische Patienten die Akupunktur, das „Wieder-zur-Arbeit-Piken“, ablehnen und europäische bzw. amerikanische Medikamente bevorzugen.

Der Hang zur US-Pille nimmt auch hier dramatisch zu. So soll z.B. der „obskure Arzt“ Dr. Rath via Internet bereits für 200 Millionen Mark Vitaminmixturen verkauft haben. Da das Land Berlin ihm zehn seiner Präparate verbot, bietet er sie vom niederländischen Amelo aus an. Hier veranstaltete er am 17. Juni einen „Gesundheitsmarsch“ gegen das mafiöse Pharmakartell, das seine Vitamintherapien verhindern will, um weiter ihre Chemiebomben verhökern zu können. Danach pries Dr.Rath auf Großplakaten sich selbst: „Millionen Menschen sagen: ‚Danke, Dr. Rath‘“.

Schließlich noch Sabrina Wenk: Die 26-jährige Spandauerin hat ebenfalls eine Vollmeise – in der vor kurzem ausgelieferten Zeitschrift Top Tattoo präsentierte sie ihre neueste Tätowierung: zwei große gelbrote Löwen. Diese zwei – den Wächtern vor China-Restaurants nachempfundenen – Motive prangen nun auf ihrer linken und rechten Arschbacke. Sabrina zahlte je 400 Mark dafür. Es ist bereits ihr 18. und 19. Tattoo. Die ehemalige Dispatcherin arbeitet jetzt im Bordell „Nirvana“ in der Paul-Robeson-Straße und gibt ihr ganzes Geld für Tattoos aus: „Bereits über 11.000 Mark.“

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