normalzeit: HELMUT HÖGE über Spezialdemokratische Staatspolitiken
Vernichten, Integrieren, Spalten
Während Friedrich Ebert infolge der Novemberrevolution Reichskanzler wurde, würgte Gustav Noske in Kiel bereits als Sprecher der revolutionären Matrosen den Initialaufstand ab. Wenig später ließen die beiden schon die überall in Deutschland revoltierenden Arbeiter von ultrarechten Freikorpssöldnern zu hunderten erschießen. Die SPD verhielt sich – einmal an die Macht gekommen – genauso wie zur selben Zeit die Bolschewiki in Russland, mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass die „Freikorps“ der letzteren rote Partisaneneinheiten waren, während die von diesen Ermordeten sich Nationalisten, Weiße und ausländische Interventionstruppen nannten. Zu Recht wurde deswegen die SPD, nachdem „ihre“ Freikorps sich zu SA und SS umformatiert hatten, als Sozialfaschisten beschimpft.
Die Sozialdemokraten nahmen sich das nach dem verlorenen Vernichtungskrieg gegen Bolschewisten und Juden anscheinend zu Herzen! Als die deutschen Linken – d.h. der SDS – wieder ihres freches Haupt erhoben, wurden sie erst ausgeschlossen, dann jedoch – zur Massenbewegung inzwischen geworden – reintegriert: mit einer Hochschulreform und 12 neuen Universitäten, die etwa 12.000 Staatskritiker zu „Kriegsgewinnlern“ machten.
Die CDU tat es der SPD später – in der Wende 89/90 – nach, indem sie die ihr in den Schoß gefallenen 10 Ostunis erst vom altlinken Ostgesocks säuberte und dann mit jungen karrieregestauten Westlern wieder auffüllte. An Unineugründungen ist wegen des finanziellen „Sachzwangs“ nicht mehr zu denken. Stattdessen dynamisierten sich etliche sozial- und geisteswissenschaftliche Institute selbst – zu kulturwissenschaftlichen. Damit sind sie zwar weder Durchlauferhitzer noch -abkühler geworden, ihren Eleven eröffnen sich jedoch neue Möglichkeiten zur Seite hin: zur Kunst – die sich gleichzeitig mehr und mehr mit dem Alltag „versöhnte“. Dazu entstand mit den Neuen Medien und dem Literaturhype ein weites Feld für kulturwissenschaftliche Veröffentlichungen, mit dem Clubboom sogar neue Chancen zur Selbstverwirklichung – und sei es an Mischpult, Zapfhahn oder als Drogen-Designer.
Dieses ganze Kultur-Networking ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein des alljährlichen akademischen Outputs. Es wird deswegen nun flankiert von sozialdemokratischer Spaltungspolitik: Die Gutwilligsten und mit genügend Geld Ausgestatteten werden in harvardähnlichen Eliteeinrichtungen – mit Karrieregarantie – gedrillt. Am anderen Ende werden die Verschlamptesten und Ärmsten mit Ausbildungskosten und Studienzeitbegrenzungen abserviert. Dazwischen wird die öffentliche Meinung von den konzertierten Kapitalmedien dahin gedrängt, bei jedem Bildungsangebot und in allen Forschungbereichen die Frage nach dem Nutzen – der Verwertung – zu stellen.
Neulich schrieb solch ein sozialdemokratischer Journalistenmistbock bereits in scheinbar rührender Einfalt über ein Institut für indogermanische Sprachen: „Der Dekan gibt freimütig zu, dass man damit keinen Blumentopf gewinnen kann!“ Die Freiheit von Lehre und Forschung gilt diesen Speichelleckern so viel wie einst Noske das Mandat der Kieler Matrosen. Hauptsache, sie dürfen ab und zu in Schröders „Marine Force One“ mitschwimmen. Dafür preisen sie sogar das hemmungslose Verschleudern aller volkseigenen kommunalen Errungenschaften – wie Wasser- und Elektrizitätswerke, öffentlicher Nahverkehr, Post und Wohnungsbaugesellschaften – als „Verschlankung“, „Staats-Modernisierung“ und „Reduzierung auf Kernkompetenzen“. Durch all diese „Maßnahmen“ wird die Durchlässigkeit nach oben – für akademisch Ausgebildete – immer mehr abgeschnürt, so dass der Druck auf die Studenten wächst. Der einstige reintegrativ gelöste „Reformstau“ wirkt dagegen bald wie eine lästige Verstopfung. Was den Spezialdemokraten dagegen noch zu tun bleibt, ist die letzte bolschewistische Entlastungsstrategie: Ausweisen! – die Biermann-Lösung, die man innerdeutsch schon seit 1993 klammheimlich praktiziert.
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