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niedersachsen rocks von FRANK SCHÄFER

Ich bin ja sehr für kalkulierte, transitorische Regression, den Lendenschurz auf Zeit, Neandertal auf dem Holo-Deck gleichsam. Dagegen kann man gar nichts haben, weil man seiner viehischen Abstammung allemal und für immer gewärtig bleiben sollte.

Vor ein paar Wochen zum Beispiel, gab es ein Konzert in der Börneckenhalle in Lehre, inmitten niedersächsischer Steppe. Wunderbar. Viele vorstehende Kiefer, Abstehohren, Rotbacken als Manifestation outrierten Schweinefressertums, leere Bieraugen mit blondierten Dauerwellen hier und da und allenthalben diese himmlische respektive rousseauistische Unschuld in den Pupillen. Oder ist es am Ende Debilität?

Dann aber auch – und nicht zu knapp! – zusammengekniffene Reviermarkungsblicke, griffige Gewaltbereitschaft, nicht zu vergessen die ledernen Südstaatenkäppchen auf zuppeligen ZZ-Top-Lookalikes, gepaart mit schwarzen T-Shirt-Mollen, die über ausgebeulte Lederbuxen schwappen.

Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen! Wittinger-Bier aus durchsichtigen Plastikbechern, englische Schenkung, also mit Minimalschaum, und ein Fleischbeschauerstempel auf dem Handrücken. Der ist absolut unerlässlich. „Lass mal, brauche ich nicht …“ – „Nee, nee, nee, hier Stempel! Das fangen wir gar nicht erst an!!!“ Und der Waldschrat am Eingang kuckt so massenmördermäßig, dass er beim ersten Nichtgehorchen bestimmt seine Axt holt – oder gleich Rübezahl, seinen nochmal 50 Kilo schwereren Kollegen, der gerade auf Bewährung draußen ist, weil in der Hölle kein Platz mehr war.

Und nach drei durchsichtigen Bechern ohne Schaum ist man dann wirklich wieder zu Hause. Zwei Pärchen kommen einem erst bekannt und dann doch wieder fremd vor, weil die Köpfe der Frauen an den verkehrten Schultern lehnen. „Ummetüschen“, nennen das die Alten hier, die rurale und sozial aber so was von voll akzeptierte Variante des Partnerwechsels auf Gegenseitigkeit. Aber dann soll es auch schon losgehen, wie man den heruntergedimmten Lichtern und einem dadaesken oder einfach nur sinnlosen „Diamonds Are The Girls Best Friends“ entnehmen darf. Ein wenig Trockeneisnebel wabert um die Monitorboxen, zu wenig, um zu wirken, man spart sich das lieber für die Hauptgruppe auf. Und dann kommen endlich Riff/Raff, „die authentischste AC/DC Coverband Europas“, so stand es geschrieben auf der Eintrittskarte. Und es war nicht mal gelogen! Sie sehen so aus, haben die gleichen Instrumente, und der Leadgitarrist gibt einen idealisierten Angus Young, spielt also ganz genau wie er – nur besser. Mein etwas linkisch, ja, knechtisch sich gebender Nebenmann am Pfeiler, an dem ich lehnte, wusste das ebenfalls zu schätzen. „Die haben aber besser geübt“, nickte er mir zu. Ich nickte zurück. Es war alles so einfach.

Und später dann, als die Band bei dem alten Party-Abkocher „T.N.T.“ nochmal etwas Feuerholz nachlegte, da war auch bei meinem Nachbarn kein Halten mehr. „Hoho“, schrie er enthusiastisch, „gleich geben die Boxen aber den Geist auf …“ Nicht nur die Boxen.

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