neonazi-aufmarsch: Aber bitte, bitte keine Trommeln!
Es ist das alte Spiel, das böse Dilemma: Neonazis demonstrieren wieder – und mit Verweis auf die „grundlegende Bedeutung“ der in der Verfassung garantierten Versammlungsfreiheit hebt ein Gericht ein Verbot der Kundgebung auf. Das Grundrecht für alle hebelt den Widerstand gegen die Neonazis aus. Die Bundesrepublik versteht sich als eine wehrhafte Demokratie, und doch ist es in diesem Fall wie in der Weimarer Republik: Die Feinde der Demokratie nutzen deren Freiheit, um sie zu bekämpfen. Ein Elend.
Kommentar von PHILIPP GESSLER
Doch was die Entscheidung des Gerichts auch abseits dieses Dilemmas so schwer verständlich macht, sind die Umstände des Urteils: Die Neonazis marschieren unter dem Motto „Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten“ und gedenken nicht der tausende sowjetischer Zwangsarbeiter, die ebenfalls auf dem Friedhof in Halbe begraben sind – war da juristisch nichts zu machen? Zu denken gibt zudem, dass das Gericht lediglich verbot, Trommeln und Transparente mitzuführen und länger als zwei Stunden auf dem Friedhof zu bleiben – als ob diese Einschränkungen die Sache besser machten.
Nein, das Gerichtsurteil ist missglückt. Die Richter zogen sich offensichtlich aufs Formaljuristische zurück, mehr Mut hatten sie nicht. Neonazi-Aufmärsche verhindern können anscheinend nur Gegendemonstranten, die ordentlich Rabatz machen. Denn nur wenn es Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gibt, ringen sich manche Juristen zu einem Verbot von Nazidemos durch. Die Folge solcher Urteile: Braune können marschieren, nur weil sie ruhig sind. Solange Richter so entscheiden, hilft nur eins – sich den Neonazis in den Weg zu stellen. Auch wenn es in der südbrandenburgischen Provinz ist.
thema des tages SEITE 30
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