nebensachen aus rom: Bei Minusgraden sind Nichtitaliener und ihr Nachwuchs im römischen Stadtpark fast unter sich
Wie das „Umido“ den winterlichen Ausflug auf den Spielplatz verdirbt
Irgendwer muss in der Villa Ada zum Weltkindertag gebeten haben. Aus allen Himmelrichtungen kommen sie, die kleinen Knöpfe, die am Sonntagmorgen auf dem Spielplatz des großen römischen Stadtparks herumlärmen. Riu, der sich gerade die Rutsche herunterstürzt, hat unverkennbar japanische Gesichtszüge; Saladin stammt aus Somalia; Céline in der Pfütze ist Nigerianerin und Kai serbisch-deutsch. Dazu noch Philippinos, eine Russin, eine Koreanerin, ein schwarzer US-Bürger.
Bloß das Heimatland ist ziemlich schwach vertreten: Italiens Fahne wird allein vom kleinen Giulio hochgehalten. Doch keiner hat die Westentaschen-Weltbürger zum internationalen Fest oder zu einem Benetton-Shooting eingeladen. Es ist bloß stinknormaler Sonntag.
Normal für alle – jedoch nicht für die Italiener. Schließlich ist jetzt Winter. Was, in den Park? Unser Portier, der uns am Ausgang unseres Wohnblocks stellte, war sichtlich konsterniert. Die Augenbrauen hochgezogen, der Blick missbilligend und das Urteil in einem Wort kurz zusammengefasst. „Umido!“ – „feucht“ ist’s im Park.
Meine Frau versucht noch, sich lahm herauszureden mit Hinweisen auf die Großwetterlage. Strahlender Sonnenschein, 13 Grad, und überhaupt, frische Luft statt Stadtverkehrsmief … „Umido!“, beharrt der Pförtner stur und mustert uns, als müsse er unsere Gesichter fürs Verbrecheralbum speichern, Sparte Kindesmisshandlung.
Und so geht es weiter. Ob an der Kaffeebar, ob beim Zeitungshändler oder im Tabakladen – überall nur ein Tadel für die Rabeneltern: „Umido!“ Ein kurzer Erfahrungsaustausch mit den anderen Eltern auf dem Spielplatz beseitigt auch die letzten Zweifel: Unsere Erfahrung ist durchaus repräsentativ. Rius italienischer Papa hat nicht nur die Nachbarschaft am Hals. Ihm lesen dazu noch sämtliche Cousins und Cousinen die „Umido“-Leviten. Ohne Erfolg: Riu tollt in kurzen Hosen übers Klettergerüst.
Dabei sieht die römische Kleiderordnung anderes vor, wenn man sich winters unbedingt in das gefährliche Feuchtgelände namens Park vorwagen will. Die paar Kinderwagen jedenfalls, die an uns vorbeirollen, sind mit runden Knäueln gefüllt. Schätzungsweise sechs Pulloverschichten, dazu die obligatorische dick wattierte Winterjacke, Schal, Mütze mit Ohrenklappen, Handschuhe schützen die Nachwuchsrömer ganz so, als trieben gerade dicke Eisschollen den Tiber runter.
Verantwortliche Eltern lassen den Ausflug in die Wildnis aud diesem Grunde lieber gleich ganz und bleiben in zivilisierten Territorien. „Einkaufen!“ lautet die richtige Antwort auf die Pförtnerfrage, wo’s mit dem Nachwuchs hingeht. „Einkaufen“ – da erntet man beifälli- ges Nicken anstatt ächtender Blicke.
Die Shopping-Meile ist voll mit Kinderwagen. Die Kleinen dürfen sich an den achtstöckigen Blocks auf beiden Seiten der Straßen erfreuen, an den vielen bunten Autos im Stau, an den im Minutentakt vorbeikommenden Bussen und ihren lustigen blauen Diesel-Abgasfähnchen. Ganz weit weg ist hier das ominös drohende „Umido“, und drinnen in den Geschäften wird ordentlich geheizt. Da lässt sich dann manchmal sogar eine römische Mamma gehen: Verwegen blickend öffnet sie ihrem Kurzen den obersten Knopf an der dicken Polarjacke.
MICHAEL BRAUN
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