nebensachen aus moskau: Russlands Präsident erobert die Charts
So einen wie Putin
Russlands Präsident Wladimir Putin hat es nicht leicht. Was er auch anpackt, wohin er auch kommt, er ist immer der Beste. Selbst in Sachen Personenkult verbleicht der „Leitstern“ Nordkoreas, Kim Jong Il, neben dem Kometen aus Moskau. Beide trafen sich letzte Woche zu einem Gedankenaustausch im russischen Fernen Osten.
Für Kims Problem, der Liebe des Volkes nachhelfen zu müssen, hat WWP nur ein Lächeln übrig. Vor Liebedienern kann sich der Kremlchef kaum in Sicherheit bringen. Die Zuneigung geht bis zur Preisgabe der eigenen Identität wie bei dem 19-jährigen Andrei aus Omsk, der seinen Namen ändern ließ: Andrei Wladimirowitsch Putin.
Selbst die japanische Papierfaltkunst, Origami, macht vor dem Original nicht Halt. Auf einer japanischen Auktion in Moskau ging das aus einem Stück gefaltete Konterfei des Präsidenten für 4.000 US-Dollar weg.
Der absolute Hit dieses Sommers ist aber das Lied einer dreiköpfigen Girlie-Band. „Ich will so einen wie Putin“, schmachten die Mädels. „So einen wie Putin, ganz voller Kraft, so einen wie Putin, der nicht trinkt, so einen wie Putin, der mir nicht wehtut, so einen wie Putin, der nicht einfach das Weite sucht …“
Vier Zeilen reichen den Girlies, um das Leid der russischen Frau und den Abgrund der Geschlechterbeziehung auf den Punkt zu bringen. Das grenzt an Genialität und ist des Präsidenten würdig. „Mir gefällt unser Präsident, er ist jung, kann gut reden und treibt Sport“, meinte Ira, eins der Girlies. Sie nennen sich „pojuschtschie wmeste“, die „gemeinsam Singenden“.
Eine Anspielung auf die „iduschtschie wmeste“, die Zusammengehenden, die Jugendorganisation der Putin-nahen Partei „jedinstwo“. Die Zusammengehenden befassen sich mit dem Sauberhalten der russischen Kultur und Putinomania im weitesten Sinne. Woanders wäre das ein Fall für den Analytiker. Die Allusion reicht weiter: „pojuschtschie“ und „pjuschtschie wmeste“ trennen nur zwei Buchstaben – die einen singen gemeinsam, die anderen trinken gemeinsam.
Der Initiator des Stücks ist Nikolai Gastello, Enkel von Nikolai Gastello, der posthum zum Inbegriff des sowjetischen Helden wurde. Gastello war der erste Flieger, der als Kamikaze das getroffene Fluggerät 1941 in eine deutsche Panzerkolonne steuerte. Kein im Geiste des Patriotismus erzogenes Kind würde Gastello für den lächelnden Kellner beim Italiener halten. Wenn Enkel Gastello nicht seinen Job als Pressesprecher des Obersten Gerichtshofes ausübt, schauspielert oder angelt er.
Liebstes Steckenpferd sei aber alles rund ums „Ideologische“, meint er. Mit „Putin“ wollte Gastello Russlands Popmusik vom Depressiven und Dekadenten befreien. Dessen sei er leid, meint der Wagner-Fan, der besonders die aufmunternde Kraft der „Walküre“ schätzt. Das Heldenhafte hat es ihm angetan. „Agitbrigada“ heißt daher wohl auch das Projekt Putin und die gemeinsam Singenden. Mal sehen, was die Gattin Putins, Ludmila, von dem Ganzen hält.
KLAUS-HELGE DONATH
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